Montag, 22. Oktober 2012

It’s gonna be all right!


Hey meine liebe Familie, Freunde, future Firstyears und UWC-Fans,

es wird mal wieder Zeit. Eigentlich wurde es schon vor Monaten Zeit einen neuen Eintrag zu schreiben, aber... naja... eigentlich habe ich keine gute Ausrede für mein wochenlanges Schweigen, außer dass der Schul-Stresspegel sich hier seit Beginn des Terms auf bisher mir unbekannten Höhen befindet.

Die Ferien zu Hause waren ein Genuss. Ich fand sehr schnell wieder in den alten Tagesablauf und das Leben im kleinen Bad Endorf und es war einfach schön wieder Familie und Freunde um mich zu haben, wieder mit meinem geliebten Bruder Kartenspiele auszufechten, in den glasklaren Seen in unserer Gegend baden zu gehen und vieles mehr. Meine Verwandten sind weit verstreut und ich durfte lange Reisen unternehmen um alle zu sehen. Natürlich wurde ich mit Fragen bombardiert, was mir aber auch half mein bisher Erlebtes selbst zu reflektieren. Am Ende der Ferien freute ich mich wieder auf meine Freunde in Waterford und die Ankunft hier am College war einfach nur wunderbar. Die Beziehung zu Freunden hat sich über das letzte Jahr verändert. Anfangs versuchte jeder, jeden als Freund zu gewinnen. Im ersten Term gab es am Abend immer eine Umarmungszeremonie vor allem zwischen den IB1s. Feste Freundschaften waren noch nicht geschaffen und man versuchte sich durch viele Freundschaften halt in dieser neuen Welt zu gewinnen und sich alle Optionen offen zu halten. Heute habe ich meine festen Freunde, mit denen ich mich super verstehe und denen man all seine Probleme anvertrauen kann ohne eine Verbreitung zu fürchten. Aus den durchschnittlich etwa 50 Umarmungen am Anfang sind nun vielleicht zwei oder drei geworden, die einem aber viel mehr bedeuten.
Ab Term 3 habe ich auch das Gefühl mich so richtig selbstbewusst und sicher durch den Collegealltag zu bewegen. Englisch ist überhaupt kein Problem mehr (für diesen Blogeintrag benutzte ich sogar das dictionary um das englische “familiar with” in das mir enfallene “vertraut mit” zu übersetzen), ich kenne die Lehrer, weiß, wer für was zuständig ist und bin vertraut mit der Hauptstadt Mbabane und anderen Swazi-Locations. Ich bin rundweg glücklich, erfüllt und sehe motiviert in die Zukunft.
Mit etwas Wehmut genieße ich die letzten Wochen mit unseren geliebten IB2s, die schon anfangen all ihre Sachen an uns zu verkaufen. Dieser Abschied ist für alle UWC-Firstyears schwierig und es wird einem schlagartig bewusst, das man selbst schon in einem Jahr diese Welt für immer verlässt. Wie schnell doch die Zeit vergeht.
Ich freue mich jedoch schon sehr auf unsere Firstyears. Moritz, Philipp und Stella - ihr seid herzlich willkommen und wie werden versuchen euren Start so leicht und angenehm wie möglich zu machen. Ich habe noch sehr gute Erinnerungen an meine Erfahrungen der ersten Tage.

Meine Pläne für die nächsten Ferien im Dezember sind wie folgt: die ersten zwei Wochen reisen zwei Freundinnen mit mir nach Simbabwe zu den angeblich atemberaubenden Victoriafalls. Danach gehts nach Hause über Weihnachten, in denen ich meine Weisheitszähne verlieren werde und weitere spaßbringende Aktivitäten auf mich warten, wie zum Beispiel das Schreiben meines Extended Essays. Nein, ich werde es genießen! Weihnachten zu Hause ist etwas ganz besonderes. Für die IB1-Orientationweek komme ich dann wahrscheinlich wieder zurück nach Waterford.

Ok nun mal zu erwähnenswerten Ereignissen und Entwicklungen:
Wir hatten Group 4-Projekttage an denen alle naturwissenschaftlichen Schüler zusammen Experimente entwerfen durften, um einen Sachverhalt zu untersuchen. Dabei kam es aber nicht auf die Ergebnisse sondern auf die Teamarbeit, Aufgabenverteilung und das Gruppenklima an, die auch benotet werden und dann einen winzigen Prozentanteil an meiner finalen Bio- und Chemienote darstellen. Insgesamt lief es meiner Meinung nach in unserer Gruppe ziemlich schlecht: Die Arbeit neben den Experimenten (Recherche, Auswertung, Plakat gestalten) blieb an einzelnen Schülern hängen und die meisten Schüler hatten auch keine kreativen Ideen, mit denen sie zu aufregenderen Experimenten hätten beitragen können. Trotzdem konnten wir unsere Lehrer im Interview vom genauen Gegenteil überzeugen und stellten uns als eine Traum-Truppe dar :). Mal schauen wie die Noten so ausfallen werden.

Für die IB2s durften wir IB1s eine In-house-leavers Feier vorbereiten die im Kontrast zu den official leavers eher einer großen Faschingsfeier glich. Unser Theme war “Superheroes” und jeder Korridor wählte sich einen Helden aus und repräsentierte diesen während der Zeremonie. Da unser Jahrgang auch das Kochen für etwa 250 Leute übernehmen musste meldete ich mich für das cooking comitte und wurde zum Vorsitzenden ernannt, was einen riesen Berg an Arbeit mit sich brachte. Letzendlich lief alles super und ich habe weitere wichtige Erfahrungen in Sachen Organisation gemacht. Was es gab? Pizza (Mexican, Hawaiian, Chicken, Vegan, Vegetarian, Ham...), Pasta mit zwei verschiedenen Soßen, einen Riesen-Salat, zwei Superman Torten, chocolate mouse, Götterspeise in drei Farben und Brownies.

Seit Term 3 gibt es einen neuen Volunteer in Waterford. Jay June graduated dieses Jahr am Mahindra College und hat sich ein Jahr Pause gegönnt, bevor es an die Uni geht. Ich verstehen mich bestens mit ihm und wir hatten schon viele interessante Gespräche in denen wir auch die beiden Colleges verglichen haben. Nun will er sich an der Jakobsuniversität in Bremen bewerben. Jay startete das Projekt “Gemüseacker” und ich helfe ihm beim Pflanzen, wässern und Unkraut-jäten. Da er das College schon im Dezember wieder verlässt, übernehme ich vielleicht das Projekt.

Diese Woche stehen unsere ersten wichtigen Examen an. Alle Fächer werden in 10 Tagen geprüft unter IB Endexam-Bedingungen. Für einige Universitäten spielen diese Noten eine Rolle.

Letzen Mittwoch hatten wir einen 10-mütigen Tango-Auftritt am “Evening of dance”. Das Video hierzu muss von mir noch bearbeitet werden und wird dann irgendwann auf der Website von Waterford zu finden sein. Es lief sehr gut. Unsere Lehrerin plant schon den nächsten Auftritt zum 50. Jubiläum von Waterford Kamhlaba nächsten April, zu dem Desmond Tutu und wahrscheinlich besuchen wird. Ich will unbedingt die Möglichkeit bekommen aufzutreten. Wer kann schon behaupten in seinem Leben mal für Desmond Tutu Tango getanzt zu haben ;)

Sofort nach den Exams findet für die Biologie HL-Schüler, also auch für mich ein Biotrip in ein Naturreservat in Swasiland an. Was uns die Natur hier an Artenvielfalt und unberührter Landschaft bietet muss natürlich auch von uns Waterfordians gewinnbringend genutzt werden. Drei Tage lang werden wir durch den Wald ziehen und Insekten, Pflanzen und Tiere zählen um dann die Größe verschiedener Populationen einschätzen zu können. Daraus entstehen dann auch Noten, die zu unserem Abschlusszeugnis beitragen. Bilder und Berichte hierzu folgen.

Die beim letzten Eintrag versprochenen Bilder von meinem Wochenende in einem Homestead sowie wenige Bilder vom Brotbacken am “European Evening” sind nun endlich unter “Homestead & Brotbacken” zu finden. Ich entschuldige mich für die Verspätung.

Ich wünsche euch einen schönen Winteranfang.

Liebe Grüße,

Juli

Donnerstag, 9. August 2012

Bursting Bubble


Hey meine Lieben,

wieder einmal ist ein ganzer Monat vergangen seit meinem letzten Bericht aus Swasiland. Wieder habe ich viel erlebt und stehe nun kurz vor meiner ersten Rückkehr in mein zweites zu Hause das mir jedoch emotional immer noch näher steht als dieses College an dem ich nun seit sieben Monaten ein abwechslungsreiches aber stressiges Leben verbringe. Mal sehen, wie das nach zwei Jahren aussieht.
Ich muss mich erstmal entschuldigen für den angekündigten ZEIT-Artikel der einfach nicht erscheinen wollte, ganz egal wie oft ich die Inhaltsverzeichnisse der letzten Ausgaben auf- und ablas. Von Mr. Nodder, unserem Direktor, erfuhr ich dann, dass Frau Otto nach ihrem Collegebesuch in den Urlaub gefahren ist und der Artikel erst nach ihrer Rückkehr veröffentlicht wird. Vielleicht klappt es ja diese Woche ;)
Ein anderer Artikel hat es jedoch an die Öffentlichkeit geschafft. Eine Kommunikationsstudentin hatte mich vor zwei Monaten interviewed, um in der Münchner Universitätszeitschrift einen Artikel über Waterford und UWC im allgemeinen zu verfassen. Das Magazin: “Communichator” kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:
Der Waterford-Artikel ist auf Seite: 28
Viel Spaß beim Lesen. Leider ist die Beschriftung des ersten Fotos etwas irreführend. Meiner Meinung bin ich der erste und nicht der zweite von rechts.
So, aber nun zu Neuigkeiten aus dem letzten Monat:

Eine sehr gute und lebensbereichernde Erfahrung war die Erfüllung eines Planes, den ich schon seit einigen Monaten hegte. Der Besuch einer durchschnittlichen Swasifamilie. Die Mutter einer Mitschülerin, die als Entwicklungshelferin in einer Swasi-Community arbeitet, organisierte mit den Kontakt. So stieg ich also um 4 Uhr am Freitag nach der Schule in einen Minibus, der mich in eine kleine Stadt brachte, Piggs Peak. Dort musste ich einen anderen Minibus besteigen, den Vater der angestrebten Familie anrufen und das Handy an den Busfahrer weiterreichen, dem dann die Bushaltestelle auf SisSwati erklärt wurde, an der er stoppen und mich rauslassen sollte. Es war mittlerweile stockdunkel und ich war sehr gespannt, was genau mich am Ende dieser kleinen Reise erwartete. An dieser Stelle muss ich mich für mein schlechtes Namensgedächtnis entschuldigen. Swasinamen mit all den Klick- und Schnalzlauten wollen einfach nicht in mein Hirn und so kann ich meine Gastgeber nicht namentlich nennen, vielleicht klappt das nach meinem nächsten Besuch dort, der auf jeden Fall folgt. Ich wurde also von dem Familienvater, der des Englischen mächtig war, und seinem jüngeren Bruder empfangen und über holprige Sandwege zu einem Homestead geführt. So nennt man hier das Wohngebiet einer Großfamilie mit einigen kleinen Häuschen, Feldern und jede Menge Tieren. Im Wohnzimmer des Haupthauses begrüßten mich 7 weitere neugierige Gesichter. Die Großmutter sitzt mit ihrer Tochter und 5 Enkeln an einem kleinen Tisch, arbeitet an einem Handbesen und begrüßt mich freundlich auf SisSwati, die Kinder schauen mich anfangs sehr skeptisch an. Ich war der zweite Weiße, den sie bisher in ihrem Haus gesehen hatten. Es wurde Tee serviert, gebraut aus dem Zitronengras, das vor der Haustür in großen Büschen wächst (ich werde ein großes Paket getrocknet mit nach Hause bringen) und mir wurde ein Abendessen, bestehend aus Pap (Maisbrei) und Hühnchen in einer gewürzten Soße gebracht, das die ältere Tochter, die auch schon ein zweijähriges Kind hat, zubereitete. Natürlich bekam ich als Gast die größte Portion, obwohl ich mich dagegen wehrte. Aus der Stadt hatte ich einen Laib Brot mitgebracht, den ich unter meinen Gastgebern verteilte. Plötzlich waren die Kinder nur noch an dem Brot interessiert und ließen den altbekannten Maisbrei liegen. So hatte ich mir das eigentlich nicht gedacht, aber naja. Mit dem Vater und seiner Schwester konnte ich mich auf Englisch austauschen, über mein Leben auf dem College, über ihr Leben als kleine Landfamilie, die sich mit immer neuen Ideen finanziell über Wasser halten muss und natürlich waren die beiden auch ganz neugierig wie es bei mir zu Hause aussieht, wie groß meine Familie ist, was meine Eltern machen und so weiter. Der Rest der Familie schaute fern, schwarz-weiß, was aber nur an einer Dauerstörung des Empfangs lag. Die Kinder schliefen nach einer Stunde ein und wurden von ihren Eltern ins Bett getragen und ich durfte nach einem Besuch den Plumpsklos 50m vom Haus entfernt in dem Rundhaus des Vaters auf einer Matratze eine ruhige Nacht genießen, bis morgens um 5 Uhr. Dann nämlich fängt bekannterweise der Hahn an zu krähen und meine Familie hatte gleich zwei oder drei, die auch noch die zwei Hunde aufweckten und schon war da ein Höllenlärm draußen, der aber nicht zu lange andauerte. Der nächste Tag begann mit Wasserschleppen. Der Familienvater hatte vor einigen Monaten angefangen ein neues kleines Haus zu bauen und der Boden sollte mit Wasser begossen und dann mit einem Stampfer per Hand glattgestampft werden. Die Wasserstelle war glücklicherweise nur 100 m weit entfernt, aber 20l-Kanister sind trotzdem ganz schön schwer. Am ersten Tag half ich beim Hausbau, Erdnüsse schälen und spielte mit den Kindern, die nun keine Angst mehr hatten und mir ihre selbstgebauten Drahtautos und die verschiedenen Tiere zeigen wollten. Einige Facts die ich während meinem Aufenthalt dort gelernt habe:

62 % aller Swasis verdienen weniger als 2$ pro Tag aber viele Familien dort ernähren sich von ihren eigenen Erzeugnissen und verdienen fast kein Geld, ein trauriges Leben muss das absolut nicht sein. Wir haben das ganze Wochenende gut von den Vorräten gelebt, die die Familie nach den Ernten anlegte.

Der soziale Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft ist sehr stark und es wird sich geholfen, wo Hilfe benötigt wird. Wenn eine Familie eine Kuh schlachtet wird oft die ganze Nachbarschaft für ein Festessen eingeladen.

Kreative Bewohner der rural areas denken sich immer wieder neue Einkommensquellen aus und haben ohnehin schon eine breite Palette an kleinen Quellen wie z.B Fruchtbäume, Kunsthandwerk, Maisfelder, Hühner, eine Pilzhütte, in der essbare Pilze wachsen, Erdnusspflanzen, Gewürzgarten, Heilpflanzen, Kühe, Ziegen.

Das Geld wird dann oft in die Bildung der Kinder investiert, da die Eltern in die Zukunft investieren wollen. Gut verdienende Kinder sind auch ihre eigene “Rentenversicherung”. In meiner Familie gingen zwei Kinder und der jüngerer Bruder des Familienvaters in die nahegelegene Schule.

Saubere Kleidung ist sehr wichtig und wir gingen zusammen zum Fluss um dort zu waschen. Das ist hier nicht nur ein Frauenjob!

Ein weißer Besucher, im besonderen wenn dieser eine Schubkarre schiebt, während der Gastgeber neben ihm geht, war dort anscheinend eine absolute Rarität und wurde mit viel Gelächter und Zurufen von den anderen Dorfbewohnern kommentiert.

Kleinkinder von 1.5 Jahren werden hier unbeaufsichtigt auf dem Hof sich selbst überlassen, wodurch sie aber erstaunlich schnell lernen und wohl jedes deutsche Kind in Geschicklichkeit und Selbständigkeit in den Schatten stellen würden. z.B Unser kleiner war fähig mit einem Stein durch Klopfen geschickt einen Draht zurechtzubiegen, ohne sich die Finger zu verletzen und das mit anderthalb Jahren.

Der König ist hoch angesehen unter den Bewohnern, da er die Swasikultur personifiziert und Swasiland zu etwas besonderem macht.

Die Kinder waren total aus dem Häuschen als ich meine Digitalkamera herausholte. So etwas hatten sie selbst noch nie in der Hand und so wurde alles photographiert. Der Hund, die Ziege, das Haus, der Himmel, die Nachbarskinder, ich usw.

Einige der Bilder sind hier auf diesem Blog zu finden unter “Swasifamilie”.

Auf jeden Fall war dieses Wochenende ein sehr bereichernde Erfahrung und ich habe nun eine Vorstellung davon, wie ein Leben außerhalb des Colleges aussieht. Ich war überwältigt von der Gastfreundschaft, die mir gezeigt wurde. Es wurde sich entschuldigt, wenn das Essen etwas spät kam, ich wurde oft gefragt, ob ich Tee wolle und die Großmutter zeigte mir am zweiten Tag wie man einen Handbesen herstellt. Den werde ich nun in zwei tagen mit nach Hause nehmen.

Was war sonst noch so los:

Wir organisierten letzten Sonntag einen European-Evening. Ich half beim Kochen aus und machte einen Apfelkuchen, sowie 6 Laibe deutsches Sauerteigbrot, das mir aber leider zeitlich nicht mehr gelang. Der Steinofen, den ich verwenden wollte war anfangs viel zu heiß, sodass mir das Brot außen leicht verbrannte und der Schulofen brauchte zu lange. Ich schob das Brot dann am nächsten Tag nochmals in den Ofen und verteilte es im Gemeinschaftsraum, worauf ich spaßeshalber zwei Heiratsanträge bekam.
Der europäische Nachmittag war sonst aber ein wirklich schönes Ereignis mit leckerem Essen, vielen Performances und 10 Tischen, dekoriert mit Gegenständen und Flaggen aus je einem europäischen Land. Den Lehrern und Schülern, die kamen hat es sehr gefallen.

So und nun schreibe ich die letzen Zeilen dieses Eintrags wenige Stunden vor meiner Abreise von Waterford. Ich habe einen kleinen Berg an Hausaufgaben über die von meinen Lehrern bekommen, aber das werde ich schon schaffen. Der Zeitartikel wurde diese Woche ja leider noch nicht herausgegeben, vielleicht nächste Woche ;)
Liebe Grüße aus dem bitterkalten Swasiland (in Johannesburg hat es vor einigen Tagen geschneit!!!),

Juli




Sonntag, 8. Juli 2012

Groß-ART-iges in Grahamstown


Hey ihr Lieben,
nur noch fünf Wochen bis zum Ende dieses zweiten Terms, bis ich im Flieger nach Hause sitze und nach 7 Monaten Afrika meine Familie und Freunde endlich wieder sehe. Ist das Heimweh größer, als ich erwartet hatte? Nein, ist es nicht, aber ich weiß nun definitiv wie es sich anfühlt. An manchen Tagen denke ich immer wieder an die schönen Seiten meines alten Lebens, die gemeinsamen Film- und Spielabende mit meinem Bruder Johannes, Radeln an die Seen mit meinem Vater und die Fürsorge meiner Mutter, die meine Vorfreude im Januar bewundernswert geteilt hat, auch wenn der Abschied schwer fiel. Es ist leicht, in eine nachdenkliche, etwas traurige Stimmung zu verfallen, wenn diese Gedanken überhand nehmen, doch auch leicht den Weg zurück in die Gegenwart zu finden. Der Weg führt hinaus aus meinem Zimmer, 2 Schritte nach rechts und in das Zimmer meines Freundes, Tuure, aus Finnland, oder einen Korridor weiter, wo Eyuel wohnt, ein mittlerweile guter Freund aus Äthiopien, der momentan auf der Suche nach seiner Lebenseinstellung ist und mit dem ich schon sehr interessante Gespräche geführt habe. Eyuel wurde streng religiös erzogen, und trifft hier auf eine völlig neue Welt. Bis zur Heirat sind für ihn selbst Gedanken an ein Mädchen nicht richtig, was in einem krassen Widerspruch steht, zu der Meinung der meisten Bewohner hier im Boy’s Hostel. Wir haben beide sehr ähnliche Interessen, denken über ein Medizinstudium nach und lieben Biologie. 
Ich habe meinen Platz nun gefunden in der Waterford-Community, bin mit wenigen sehr gut, mit vielen gut befreundet. Es gibt jedoch niemanden, mit dem ich überhaupt nicht klarkomme. 
Traditionen bilden sich über die Monate, sei es der gemeinsame Filmabend am Donnerstag mit Jakob und Rohaan, das Roggenbrot Backen mit anschließendem genüsslichem Verzehr mit Roderik und Rüdiger (Südafrika), interkulturelle Diskussionen mit Nelson aus Lesotho oder Lernen in der Sonne jeden Dienstag vor einer Doppelstunde Spanisch mit Agathe aus Frankreich. Ich genieße es! 
Diese Atmosphäre hier, gefüllt mit Vertrauen, Kreativität, Engagement, Respekt, Lernfreude, Freundschaft, Anerkennung und Optimismus ist wohl nur in ganz wenigen Gemeinschaften auf dieser Erde zu finden. Das ist es, was UWC so einmalig und wertvoll macht. 

So. Was ist passiert in den letzten fünf Wochen, in denen dieser Blog von mir so unrühmlich vernachlässigt wurde? 

Das größte Ereignis war sicherlich der einwöchige Trip nach Grahamstown, einer Stadt im Südosten Südafrikas, nicht weit entfernt von der Küste, in der das alljährliche nationale Kunstfestival stattfand. Mit ca. 30 Schülern starteten wir vor zwei Wochen mit einem Reisebus, der uns zwei Tage lang durch die weite trockene Landschaft Südafrikas trug, eine Zwischenübernachtung auf dem Weg in einem Backpackers inklusive. In Grahamstown durfte jeder Schüler ein kleines Einzelzimmer auf dem Campus der dortigen Uni beziehen und war danach frei, seine Tage selbst einzuteilen und mit Tanzauftritten, Konzerten und Theaterstücken, sowie Ausstellungsbesuchen zu füllen. Da ich am Ticketstand realisierte, dass einige Vorstellungen bereits ausverkauft waren, beschloss ich meine drei verfügbaren Tage in Grahamstown voll durchzuplanen und alle notwendigen Karten schon im Voraus zu kaufen. Es war ein wunderbarer Mix, bestehend aus etwa 15 Vorstellungen, den ich mir da zusammengestellt hatte. 
Einige Highlights:

Hypnagogia: 
Eine ganz besondere Tanzperformance, aufgeführt und choreographiert von drei Waterfordschülern. Es ging um die Rolle der Frau und ihre Beziehung zum Mann in Kindheit, Jugend und im erwachsenen Alter. Inspiriert von Choreographien  Pina Bausch’s, schafften es unsere Schüler tiefe Gefühle, insbesondere in weiblichen Zuschauern zu wecken; einige verließen den Raum mit Tränen in den Augen. 

Das Symphonie-Konzert des südafrikanischen KwaZulu-Natal Philharmonic Orchestras:
Hier lehnte ich mich zurück und ließ die verschiedenen Eindrücke des Tages zur Musik von Saint-Saens und Paul Dukas an meinem inneren Auge vorbeiziehen. Mir fiel auf, dass im Orchester der so vielfältigen “Rainbow nation” etwa 90 % aller Musiker weißer Hautfarbe waren. Musik als Studienfach ist für die meisten farbigen afrikanischen 
Eltern eben noch nicht anerkannt und werden mit Straßenkünstlern assoziiert, was auch hier auf dem College zu sehen ist. Während die Fächer Kunst, Musik und Theater mit wenigen Ausnahmen, von Weißen belegt werden, gehöre ich einer extremen Minderheit in Wirtschaft an. 

I love you, when you’re breathing:
Hier ging es um eine menschengroße Puppe, die von drei Männern gleichzeitig bedient wurde und uns von ihrem doch sehr schwierigen Dasein als gesteuertes Etwas erzählte. Obwohl man die Männer, die jeweils einen Arm oder den Kopf bedienten, sehen konnte, überzeugten die realen Bewegungen, das Auf- und Absenken der Brust als Atmung und die Übereinstimmung von Gestik und Sprache so sehr, dass man das Geschöpf am Ende als lebendiges Individuum betrachtete. 

Exhibit A: 
Diese Ausstellung war wohl einer der eindrücklichsten Momente im Laufe meiner Zeit hier in Afrika. Ich hatte von meinen Mitschülern erfahren, das keiner diese Erfahrung verpassen sollte und setzte mich mit keiner Vorahnung in den Besucherraum, in dem schon andere, ausschließlich weiße Menschen saßen. Jeder bekam ein Nummer, wurde der Reihe nach aufgerufen mit einem Abstand von etwa 5 Minuten und begab sich in das dunkel gehaltene Haupthaus. Beim Betreten des ersten Raumes vielen mir sofort afrikanische Kunstgegenstände und zwei menschliche Puppen schwarzer Hautfarbe, mit Bastrock bekleidet, ins Auge, die alle mit einem Nummernschild versehen waren, wie man es von Naturkundemuseen gewohnt ist. Ich bekam einen Schreck, als sich mein Blick nach oben mit den Blicken der vermeintlichen Puppen traf. Ich befand mich in einem Ausstellungsraum des 19. Jahrhunderts, als “primitive Afrikaner” in Deutschland öffentlich zur Schau gestellt wurden. Wer den Film “Neger, Neger Schornsteinfeger” gesehen hat, kann sich an die Szene im Zoo vielleicht noch erinnern. Die Szenerie berührte mich sehr. Ich lernte die Kolonialgeschichte hier nicht durch Photos und Quellen näher kennen, sondern erlebte sie, reiste zurück in die Zeit der Gräueltaten und sah die Gesichter, voll von Hoffnungslosigkeit und Vorwürfen. Das Gesicht einer halbnackten Afrikanerin in einem Spiegel, an ein Bett gekettet mit dem Rücken zu mir, das Gesicht einer Frau, die einen menschlichen Schädel in der Hand hielt. Sie hatte die Aufgabe die Köpfe der getöteten Sklaven mit Glasscherben von Fleisch zu reinigen. Nach etwa sieben Räumen, die sich alle mit der Kolonialzeit beschäftigten und die den Satz “Gott sei Dank ist heute alles anders!” im Kopf der meisten weißen Besucher entstehen ließen, blickte ich auf einen Mann, gefesselt in Flugzeugsitz, Mund und Nase zugetaped. Eine Informationstafel sagte mir, dass jedes Jahr Flüchtlinge beim Transport umkommen, die von Grenzbehörden nicht menschenwürdig behandelt werden und dann, wie hier dargestellt, zum Beispiel an Erstickung sterben. Ich musste danach sehr lange über dieses Bild nachdenken. Wenn wir einen Flüchtling sehen, betrachten wir ihn als vollwertigen Menschen? Berührt uns Europäer der Tod eines schwarzen Afrikaners in Europa in dem selben Ausmaß, wie die Ermordung eines englischen Journalisten in Somalia? Es fällt uns leichter mit der Familie des Journalisten mitzufühlen, an seine Kinder zu denken, die jetzt keinen Vater mehr haben, als an die Frau und die Kinder des Flüchtlings, die immer noch auf ein Lebenszeichen warten und auf Geld aus dem gelobten Land, aus Europa.  
Der folgende Link sollte zu Informationen und Bildern zu Exhibit A führen:
http://www.thirdworldbunfight.co.za/productions/exhibit-a,-b,-&-c.html
Ich kann ihn leider nicht aufrufen, da das Internet zu langsam ist. Mittlerweile existieren auch schon die nachfolgenden Ausstellungen Exhibit B und C, die anscheinend durch Europa touren. Solltest du, lieber Leser, die Möglichkeit eine zu sehen, kann ich das nur schwer empfehlen.


Die Photos sind von folgender Website: http://www.die-junge-buehne.de/blog/tag/exhibit-a/

Neben diesen vier persönlichen Highlights besuchte ich auch drei Jazzkonzerte, vier Theaterstücke einige Tanzperformances, und die beste Pantomime Clownshow, die ich je gesehen habe. Außerdem lernte ich eine sehr nette ältere Photokünstlerin kennen, die mich zu ihrem Haus nach Queens Town einlud. Mal schauen ob ich das Angebot irgendwann annehmen kann. 
So viel mal zu Grahamstown und einem Artfestival, das mich in Gedanken immer noch beschäftigt und dem ich im Laufe meines Lebens vielleicht noch öfter beiwohnen werde. 

Die Zeit war gekommen! Endlich. Frau Otto von meiner Lieblingszeitung “DIE ZEIT” besuchte Waterford vergangene Woche für drei Tage und lebte praktisch mit uns. Sie interviewte alle deutschen Schüler, sowie, wie es schien, hundert weitere Waterfordians. Sie besuchte meine Tangoklasse, setzte sich in unsere TOK-Stunde und war eigentlich ständig irgendwo zu sehen. Ein Photograph aus Johannesburg knipste mindestens tausend Photos und lieferte den visuellen Aspekt des, hoffentlich langen ZEIT-Artikels, der vielleicht schon nächsten Donnerstag oder den Donnerstag darauf erscheinen sollte. Wenn ihr in einer Woche am Zeitungskiosk vorbeischaut, werft einfach mal einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis auf Seite 12 und sucht nach “UWC”, wahrscheinlich unter der Rubrik “Chancen”. Ich denke, dass UWC Deutschland mit diesem Artikel einen großen Schritt in Sachen Bekanntheit machen kann und hoffe, dass die Bewerberzahlen nächsten Winter steigen werden, auch im Hinblick auf die deutsche Collegeeröffnung in Freiburg 2014. 

Wenn Du als Leser dich für einen UWC-Platz bewerben willst und Fragen in Bezug auf Waterford Kamhlaba oder den Bewerbungsprozess hast, kannst Du mir gerne deine Freundschaft auf Skype anbieten: Mein Name dort: Julian Storrch
Ich freue mich immer über interessierte Zuhörer!

Nun hast Du es auch schon fast durch diesen Monsterartikel geschafft. Es tut mir Leid, dass ich so selten schreibe und ich weiß, dass viele kurze Blogeinträge das Lesen erleichtern würden, aber so bin ich nun mal. 

Noch eine kleine Bitte: Ich schreibe momentan eine wichtige Englischarbeit, called “written Task 1” mit dem Thema “representation of ethnicities in Literature”. Mein Focus liegt auf der sehr einseitigen Darstellung Afrikas in westlichen Medien und das resultierende Bild von Afrika das wir Europäer dadurch haben. Wenn Du irgendwelche Ideen hast, vielleicht schon einmal in Afrika warst und überrascht wurdest oder aktuelle Artikel gelesen hast, die beschreiben, wie arm, rückständig oder gefährlich Afrika ist schicke mir eine Mail an julianstorch@aol.de  und helfe mir bei meiner Arbeit. 
Ich hoffe ihr genießt alle den Sommer, an alle Coyears: macht das meiste aus euren großen Ferien! Ich werde hier noch den ganzen Abend sitzen und an Essays arbeiten :(
Liebe Grüße,
Julian


Mittwoch, 30. Mai 2012

Reisikanische Erlebnisse



Ihr Lieben,

so hier bin ich wieder zurück in meinem kleinen Raum, mitten im Schulalltag und gut angekommen in meinem zweiten zu Hause Waterford. Es war eine gute Entscheidung, die ersten Ferien in Afrika zu verbringen und nicht nach Hause zu fahren, wie etwa 90 Prozent aller westlichen Schüler. Wenn ich so zurückdenke an diese vier Wochen in Kapstadt und Namibia wandern verschiedene Erinnerungen durch mein Langzeitgedächtnis: Die wunderbar belebte “Longstreet” im Zentrum Cape Town mit unzähligen Kaffees, Kneipen, Clubs, Antiquitätenläden, Kunstausstellungen und kleinen improvisierten Ständen neben dem Gehsteig, an denen grinsende Verkäuferinnen Süßigkeiten, Obst oder Blumen verkaufen. Die vielen Bettler, die auf Touristen wie mich zukommen, um mit ihnen ein persönliches Gespräch anzufangen im Verlauf dessen sie mir von ihrem verhungernden Baby erzählen, das ohne Windeln zu Hause im Dreck liegt, wohl wissend, dass Babynahrung und Windeln das wahrscheinlich teuerste Gut im Supermarkt sind. “I don’t want money! Please, please buy some food for my baby in the store over there!”. Es ist schwer abzulehnen und ich fühle mich schlecht, auch da ich weiß, wie teuer das Leben mittlerweile geworden ist, aber Spenden an Bettler bieten keine nachhaltige Lebensverbesserung. Es gibt in Kapstadt viele Organisationen, die angestrengt versuchen diesen Menschen Arbeit zu verschaffen. Diese Organisationen sollte man finanziell unterstützen um wirklich etwas zu bewirken und vielleicht hilft das auch deinem schlechten Gefühl wenn der nächste abgewiesene Bettler dich lauthals und wild gestikulierend als egoistisch und unsozial beschimpft, wie es mir in Kapstadt einige Male passiert ist. Der herrlich vielfältige botanische Garten von Kirstenbosch, in dem nur afrikanische Pflanzen wachsen und der direkt am Fuß des berühmten Tafelbergs liegt. Dort wanderten wir durch einen Geruchsgarten mit den erstaunlichsten Düften, die man den unscheinbaren Pflanzen gar nicht zugetraut hätte, sahen die größte Palmenart der Welt, deren Blätter über 15 Meter lang werden können und die erst nach ca. 30 Jahren das erste mal Blüten trägt, bewunderten die Riesenspinnen im “Märchenwald-Trail” und bestiegen über eine recht herausfordernde Route über Leitern und durch einen Bach erfolgreich den Tafelberg. Die Aussicht war wunderbar! Die süßen Pinguine in Simons Town wandern durch meinen Kopf ebenso, wie auch das Gefängnis auf Robben Island, in dem Nelson Mandela für 26 Jahre inhaftiert war, bevor er Präsident Südafrikas wurde. Ich fühlte mich leicht an den Besuch in dem Konzentrationslager in Dachau erinnert, auch wenn das Ausmaß der Gräueltaten in Deutschland natürlich noch viel weiter ging. Auch hier auf Robben Island verlor jeder Inhaftierte durch das Betreten des Gefängnisses seinen Namen und bekam eine Nummer. Asiaten bekamen mehr zu Essen als Farbige, die wiederum mehr bekamen als schwarze Häftlinge. Zeitweise gab es nicht genug Betten, sodass auf dem Boden geschlafen werden musste. Es gab Folterzimmer, in denen mit Elektroschocks und anderen Methoden versucht wurde Geständnisse zu erpressen, jeder Brief an die Häftlinge wurde gelesen und alles Politische wurde herausgeschnitten. Der ehemalige Häftling, der uns durch das Gefängnis führte, sagte, dass einige Briefe danach etwa so aussahen:

Dear Nelson,
You can`t believe what happened here the last weeks:



            and

                                   Therefore we




We love and miss you!

Your Father

Das habe ich mir jetzt zwar ausgedacht, aber es muss sehr niederschmetternd für die Gefangenen gewesen zu sein, einen fast leeren Brief zu bekommen, der einem eigentlich so viel über die politischen Entwicklungen erzählen könnte, die jahrelang Inhalt ihres Lebens gewesen waren. Auch heute Leben noch ehemalige Häftlinge auf der Insel und führen Touristen durch die Gebäude, was ich sehr bewundernswert finde.
Was habe ich sonst noch so erlebt. Eine ganze Menge. Ich habe zum ersten mal in meinem Leben Surfen ausprobiert, sowie auch das Netzwerk connectuwc.org. Dort suchte ich nach einer billigen Bleibe in Kapstadt und fand Aysha, die vor drei Jahren auf dem UWC in Indien abschloss, jetzt in Cape Town studiert und bei ihrer Mutter wohnt. Jakob und ich durften für 5 Tage in ihrem Haus verbringen und herrliches Essen, freien Transport und ein eigenes Zimmer in 3***-Hotel-Standard genießen. Drei Tage blieb ich dann noch ein Roderiks Haus, einem Freund aus Waterford. Er wohnt direkt am Meer und ist ein begnadeter Surfer. Seine Eltern arbeiten in der Entwicklungshilfe, momentan in Südsudan, ein von unzähligen Konflikten geprägtes Land. Die Mutter erzählte mir, dass sie regelmäßig einer langen schmalen Landstraße folgen musste, um zur Arbeit zu gelangen. Wochen später erfuhr sie dann, dass links und rechts direkt neben der Straße tausende alte Landminen liegen. Hätte sie etwas zu Hause vergessen und das Auto neben der Straße gewendet, hätte dies leicht tödlich enden können. Nach 19 Tagen in Kapstadt ging es mit dem Bus über 20 Stunden nach Windhoek, der Hauptstadt Namibias. Dort blieb ich für weitere zehn Tage bei meinem Freund Rohaan, der uns auch mit auf einen Trip nach Swakopmund nahm, einer Stadt, in der man vom deutschen Kolonialismus in Namibia immer noch sehr viel spürt. Ein großer Teil der Bevölkerung spricht Deutsch, es gibt überall deutsche Architektur, Bäckereien, Brauereien, Kriegsdenkmäler und deutschen Karneval. Hier bekam ich schon wieder die Vorteile der weltweiten UWC-Gemeinschaft zu spüren. Ein zukünftiger UWC-Schüler für Singapur, der in Swakopmund lebt, fuhr uns durch die Namibwüste, zeigte und erklärte uns Tiere, Pflanzen und Landschaftsformen und gab sich die größte Mühe uns einen unvergesslichen Tag zu schenken, der mit Quad-Biken in den Dünen der Namibwüste begann.
Nach diesen wunderbaren Reiseerfahrungen habe ich mich jetzt entschieden meine dritten Ferien höchst wahrscheinlich wieder hier in Afrika zu verbringen und die nördlichen Länder Southern Africas zu erkunden, die da wären: Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Sambia... ich weiß noch nicht, wie weit ich kommen werde!

Zurück in Waterford wurde ich von allen herzlich empfangen und ich fühlte mich richtig wohl und an meinem richtigen Platz. Außerdem erwartete uns am ersten Wochenende “Bushfire” eines der wenigen großen Events in Swasiland.
Wir fuhren schon am Freitag auf das Festivalgelände und stellten unser Zelt auf, um dann direkt die verschiedenen Bühnen, Essens- und Kunststände und das Programm zu besichtigen. Jedes Jahr erwartet Swasiland etwa 20 000 Besucher, hauptsächlich aus Southern Africa. Da fast alle Waterfordschüler anwesend waren, konnten wir als Gemeinschaft feiern und hatten zwei wunderbare Nächte voller Musik, Tanz und leckerem Essen. Natürlich traf ich Deutsche, die wohl in keinem Land der Welt und insbesondere auf keinem Festival fehlen. Ich ließ meine Kamera zu Hause, da Campen in Afrika gewisse Risiken für Wertgegenstände bietet. Vielleicht gibt es später Bilder von anderen Schülern hier zu sehen. Die beste Performance, meiner Meinung nach, kam von Ayo, einer deutsch-nigerianischen Sängerin, die zeitweise hundert Meter von der Bühne entfernt in mitten aller Zuschauer über Funkmikrophon ihre Stücke sang, während ich nur einen Meter entfernt ihre natürlich Stimme genießen durfte.

Dieses Wochenende wird es für mich zu einem freiwilligen Commserve außerhalb der Schule gehen. In einer Art Dauer-Flüchtlingslager, werden wir den Kindern etwas Ablenkung, Essen und Spielzeug bringen. Berichte und Fotos folgen.

Wenn jemand aus meiner Heimat nach meinem Wohlergehen fragt, könnt ihr ihm gerne diesen Blog nennen. Ich denke, man findet mich, wenn man “juliinswasiland” googelt.


Bald werden wir erfahren, wer unser neuer Schuldirektor wird. Bei einem der Interviews war ich mit dabei und ich denke wir werden auf jeden Fall eine herausragende Persönlichkeit einstellen. Für die, die es noch nicht wissen: Unser momentaner Schuldirektor Mr. Nodder wird das College Ende des Jahres verlassen um das UWC in Deutschland 2014 als Direktor zu führen.


Grüßt mal alle schön und sagt, dass es mir gut geht. Trotzdem freue ich mich auf meine Familie und Freunde in 76 Tagen.

Julian

Donnerstag, 19. April 2012

FERIEN!!!

Der erste Term ist fast vorüber, die Ferien mit neuen Erlebnissen stehen kurz bevor, doch ich weiß jetzt schon, dass ich mich nach vier Wochen auf die Rückkehr nach Waterford freuen werde.  Es ist mittlerweile zu meinem zweiten zu Hause geworden und ich spüre momentan noch keinen großen Drang nach Deutschland zurück zu kommen. Vielleicht für einige Tage um meine Familie und Freunde zu sehen und in einem unserer wunderbaren Seen schwimmen, das wäre schon nett, aber die Reise die mir nun bevorsteht und die Gewissheit, dass ich im August nach Hause zurückfliegen kann, lassen mein Heimweh weitestgehend verschwinden. Morgen um 6:00 Uhr früh  nehmen drei weitere Waterfordschüler mit mir zusammen einen 18-Stundenbus nach Kapstadt, wo wir dann 16 Tage Sehenswürdigkeiten, Strand und Nachtleben genießen werden bevor es nach Namibia geht. Mein Freund Rohaan wohnt in Windhok und lud mich und Jakob für zwei Wochen zu sich nach Hause ein. Das sind also die Pläne die momentan in meinem Kopf herumschwirren und auf die ich mich unglaublich freue. 
Vielleicht sollte ich mal darüber schreiben was genau dieses College so besonders liebenswert macht. Zum einen ist die zwischenmenschliche Atmosphäre hier außergewöhnlich bereichernd. Man wird überall freudig begrüßt, bei Diskussionen hört dir jeder aufmerksam zu, bei Sorgen melden sich um die 20 Freunde, die dir ein Gespräch anbieten, es wird zusammen gekocht, geteilt, getanzt, gesungen, Filme geschaut, Musik gehört, vorgelesen, massiert, Neuigkeiten aus aller Welt augetauscht und Brettspiele gespielt. Letzteres wird von meinen afrikanischen Freunden so emotional betrieben, als ginge es ums Überleben, was bei den Europäarn regelmäßig Schmunzeln hervorruft.
Ich bin gerade zu müde um mit meinen Erzählungen fortzufahren und in wenigen Stunden wird der Bus nach Johannesburg abfahren. Bilder und Berichte von meiner Reise werden folgen. 
Hoffe ihr hattet alle underbare Osterfeiertage/ferien,
Julian

Sonntag, 4. März 2012

Mozambique-Vibrations

Óla, amigos!
Mein letzter Blogeintrag ist schon länger als ein Weilchen her und es gibt einiges zu erzählen. Waterford wird langsam aber sicher zu meinem zweiten zu Hause, einem zu Hause das so vielfältig ist, das jeden Tag neue Erfahrungen bietet, wenn man sie sucht, einem zu Hause das auch aus einem eigenen privaten Raum besteht, den ich persönlich wirklich sehr genieße und für meine Schulvorbereitungen auch brauche. 
Zwei berichtenswerte Ereignisse sind die Swimming-Gala und natürlich das wunderbare Wochenende in Mosambik.
Am Mittwoch vor Midtermbreak versammelte sich die gesamte Schule samt Lehrerschaft um den Pool. Alle Schüler sind für Wettkämpfe (wie z.B auch Athletik-Wettkämpfe nächsten Dienstag) willkürlich in drei verschiedene Häuser eingeteilt: Stern, Henderson und Guedse. In jedem Haus sind Schüler aus allen Forms und den IB-Jahrgangsstufen. Ich bin in Stern. An diesem Mittwoch sollten also die Häuser gegeneinader schwimmen und ich in 6 Disziplinen für die unter 20-Jährigen. In den ersten beiden races, Schmetterling und Freestyle verlor ich knapp, in Rückenschwimmen deutlich. Meine Stimmung hatte einen Tiefpunkt erreicht. Dann kam meine Disziplin: Brustschwimmen. Mit einem schönen Vorsprung gewann ich dieses Rennen und der Tag war gerettet. Es herrschte eine brilliante Stimmung. Jeder feuerte sein Team an und es machte richtig Spaß zuzuschauen. Letztendlich verlor mein Haus die Swimming-Gala mit Abstand. Macht nichts, es folgen weitere Wettkämpfe. Tuure, mein finnischer Freund hat einige beeindruckende Bilder gemacht, die unter der Rubrik “Fotos Gala” einen kleinen Eindruck von dem Ereignis geben.
Nachdem ich mein Zimmer für einen Schüler aus Elangeni geräumt hatte, der über Midtermbreak in Waterford bleiben wollte (nur Emhlabeni blieb offen) ging es mit dem Bus nach Maputo. Die fahrt dauerte etwa fünf Stunden und wurde durch eine Stunde Wartezeit an der Grenze noch verlängert. Mit Großraumtaxis kamen wir in unsere Jugendherberge “Fatimas” an, ein wunderbarer Platz. Hängematten und Liegestühle auf dem Flachdach, Bar, 10-Bettzimmer, Duschen, Guards vor dem Eingang und zwei Deutsche, die nach ihrem Studium durch Südafrika reisen. Wir hatten alle einen Riesenhunger, konnten aber auch nach 2-stündiger Suche kein Lokal finden, das alle 22 Gemüter zufrieden gestellt hätte. Das ist eines der Probleme in Großgruppen. Auf uns Touristen wartende Polizisten hielten uns zwei mal an, um die Pässe zu kontrollieren, Strafgebühr für das Mitführen einer leeren Bierflasche einzufordern (Trinken in der Öffentlichkeit ist in Mosambik verboten) und uns von einer, für Fußgänger verbotenen Straße, zu verjagen. Wie gut das wir einen Portugies-Speaker aus Venezuela dabeihatten. Eine Pizzeria rettete dann unseren Abend. 
Am Samstag machte ich mich mit Laerke, Andrea, Lisa, Alma und Tuure auf den Weg, um die Stadt zu erkunden. Auf dem Arts- and Crafts-market boten ca. 30 Händler aggresiv anpreisend eine nahezu gleiche Ware an und hatten bei uns teilweise auch Erfolg. Nächstes Ziel war der berühmte Fischmarkt von Maputo. Den besten Eindruck hiervon geben, denke ich, die Photos auf meinem Blog. 
Nachdem sich Tuure einer anderen Gruppe angeschlossen hatte, entschieden wir uns einen Eindruck vom Maputo-Strand zu gewinnen. Erster Eindruck: viel Müll, dunkelbraunes Wasser, wir sind die einzigen Nicht-Einheimischen weit und breit, unzählige planschende Kinder zwischen den Wellen. Letzteres weckte die Badelust in Alma, Andrea und mir und unter staunenden Blicken der einheimischen Bevölkerung genossen wir das 30°C-warme Wasser. Die Kinder blieben erst einmal in sicherer Entfernung angesichts dieses weißen Riesens, der ihren täglichen Badeplatz heimsuchte. Nachdem ein wagemutiger Junge mir seine Schwimmkünste zu präsentieren versuchte, wir ein kurzes Gespräch begannen und ich ihn kreiselartig durchs Wasser zog, war das Eis gebrochen und zwanzig Kinder wollten gleichzeitig von meinem Rücken springen und in die Luft geworfen oder durchs Wasser gezogen werden. Die Mädchen sahen es als ihre Aufgabe an das ganze zu dokumentieren und so entstanden haufenweise Photos und einige Videos. 
Man kann eine ganze Woche in Maputo verbringen ohne die eigentliche Bevölkerung zu erleben, wenn man fast alle Plätze meidet und jeden Weg mit dem Taxi fährt. Das war definitv nicht unser Ziel. Also nahmen wir einen public bus zusammengequetscht mit 20 Menschen zurück Richtung Hostel. 
Ich verbrachte dann die gesamte Nacht bis 5 Uhr mit etwa 10 anderen Waterfordians in Coconuts, eine von Maputos Discos. Zwei Männer versuchten mir nacheinander meinen Geldbeutel zu stehlen, wozu sie aber einen Knopf öffnen mussten, was mir natürlich auffiel. Ansonsten war der Abend ein super Erlebnis ohne weitere Zwischenfälle. 
Sonntag war der Tag mit den meisten Eindrücken. How come...? 
Laerkes Familie beherbergt reisende Jugendliche in Dänemark. Unter diesen Jugendlichen befand sich vor einigen Jahren auch Laura aus Maputo. Sie erklärte sich bereit uns mit Auto den ganzen Tag durch die Stadt zu führen und uns ihre Heimat zu zeigen. Wir sahen ein gespenstisch leeres Einkaufszentrum, das internationale Markenware für die Reichen Maputos verkauft. Hier kommst du nur weiß oder mit der richtigen Bekleidung rein. Laura zeigte uns zusammen mit ihrem Freund eine aktuelle Ausstellung über Albinos mit vielen Photos, die das Leben der, oft durch Vorurteile ausgegrenzten oder sogar gejagten Minderheit zeigten. Viele Eindrücke, Texte und Bilder, die ich dort sah werden noch lange in meiner Erinnerung bleiben. Nach der Besichtigung des 100 Jahre alten Bahnhofs und des Gemüsemarktes, auf dem wir eine Menge Salat, Avocados und mehr für unser Abendessen einkauften, fuhr uns Laura zu ihrem Haus außerhalb der Stadt in einem Township. Ihre Schwester empfing uns freudig und servierte uns gekühlte Getränke. Die beiden Schwestern leben zusammen in diesem Haus mit ca. 5 Zimmern, Blechdach und Bananen- und Mangobäumen im Vorgarten. Die Nachbarsfamilie produziert Blechtöpfe mit einem Gerät, das einen Metallteller dreht. Wenn man nun mit einer Art Stemmeisen den Metallteller gegen eine Form drückt formt sich, wie beim Töpfern eine Schale, die langsam zum Topf wird. Als die Hausmutter sah, wie fasziniert wir ihrem Mann zusahen, schenkte sie uns einen kleinen Topf als Erinnerung. Es ist beeindruckend als Tourist, Geschenke von fremden Menschen zu bekommen, die gerade so genug Geld zum Leben haben. Zum Abschied sangen die Nachbarsfrauen und tanzten mit uns auf afrikanische Weise. Ganz erfüllt von diesem unverhofften Erlebnis setzten wir uns wieder ins Auto, um Lauras Bruder zu besuchen. Er ist Architekt und hat sich sein eigenes Haus mit Elektrosicherheitszaun und vergitterten Fenstern gebaut, das er uns stolz präsentierte. Während die Verständigungsprobleme in dem Township mit Gesten und Tanzen wunderbar überbrückt wurden, schauten wir hier stattdessen Fußball mit unseren Gastgebern. Die Situation war etwas kalt und gezwungen, obwohl sich die Familie sehr interessiert zeigte. Es war sehr aufschlussreich diese beiden Welten direkt nacheinander zu erleben. 
Durch die Bemühungen von Laura und ihrem Freund hatten wir einen wunderbaren Tag, für den uns einige der anderen Waterfordians, die beim Hostel blieben beneideten. 
Ein weiterer “UWC-Moment” war das gemeinsame Zubereiten des Abendessens. Wir machten eine wunderbare Guacamole und Sala, während wir über das Erlebte sprachen.
Schon nach drei Tagen ist Maputo nun eine meiner Lieblingsstädte, wahrscheinlich aber vor allem, weil es die erste Stadt ist, die sie sich einfach vollkommen von jeder bekannten, europäischen Stadt unterschied. Ich komme wieder!
Der Alltag hier auf dem College hat nun wieder begonnen, meine Freundschaft zu Laerke, Andrea, Lisa, Alma und Tuure ist durch unseren gemeinsamen Trip aber enorm gewachsen.
Kommentare und Fragen sind natürlich wie immer gerne willkommen!!!
Enjoy Life,
Julian

Freitag, 17. Februar 2012

UWC-Day

Meine Ankunft ist nun gut einen Monat her und ich genieße die sommerlichen Tage hier immer noch sehr. Ein bisschen Heimweh macht sich leise bemerkbar, aber es gibt genug Ablenkung. Nächsten Montag beginnt unsere erste Cooking-Club-Session. Wahrscheinlich werde ich einige afrikanische Gerichte mit nach Hause bringen.
Im Moment wirke ich in drei Communityservices mit. Wenn mir alles zu viel wird, kann ich die Anzahl reduzieren.

1. SOS-Support: etwa 35 Kinder aus einem SOS-Kinderdorf in Mbabane kommen jeden Donnerstag Abend auf unseren Campus. Wir spielen, essen und lernen zusammen für etwa 2 Stunden. Leider haben wir keinen Siswatispeaker in unserer Gruppe und da selbst unser Tutor (mein Chemielehrer) überhaupt keine Erfahrung mit Kindern hat lief die erste Einheit ziemlich chaotisch ab. Für die nächsten Donnerstage haben wir die Kids in 4 kleinere Gruppen eigeteilt, was die Sache erleichtern sollte. Mit einer anderen Schülerin habe ich dann die Verantwortung für etwa 10 Kinder, die auf mich alle einen aufgeschlossenen Eindruck machen.

2. Film-Making: Für die Collegewebside werden wir einige werbewirksame Filme über Waterford drehen
und bearbeiten. Leider ist das Equipment, das uns zur Verfügung steht nicht gerade herausragend. Kreativität ist gefragt und in meiner Gruppe auch reichlich vorhanden.

3. Life-Guard: Das ist wirklich keine große Sache. Jedes Wochenende werde ich zwei Stunden am Pool hier in Waterford verbringen und auf all die jungen Formstudents aufpassen, die teilweise ihre Schwimmkenntnisse überschätzen.

Vor einer Woche hatten wir UWC-Day. Ein kunterbunter Tag der Nationen. Bilder sind schon seit vorgestern hier auf meinem Blog. (auf den letzten 4 Photos ist übrigens 3 mal meine Freundin zu sehen.)
Es gab eine Nationengala, an der Leonie und ich in Lederhose teilnahmen, einige "UWC-Reden" und Tänze aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Die Kartoffelpuffer die wir dann an unseren deutschen Stall verkauften sahen leider nicht sehr appetitlich aus (die Kartoffelmasse hatte ihre Farbe über die Nacht von gelb zu grau geändert) schmeckten aber nicht schlecht. Es gab die Möglichkeit zu probieren, was ein Verlustgeschäft gerade so verhinderte. Insgesamt war ich leider viel zu beschäftigt mir Verkaufen und Organisieren um mich aktiv mit anderen Kulturen auszutauschen und alle Gerichte zu probieren. Vielleicht klappt es nächstes Jahr besser. Meine Lederhose kam aber sehr gut an und ich müsste auf etlichen Photos zu finden sein.

In der Schule geht es stimmungsmäßig auf und ab. Mathe, Wirtschaft, Chemie und Spanish fallen mir bis jetzt relativ leicht. In Englisch, Biologie und TOK machen sich meine Englishlücken bemerkbar. Ich denke, aber das das IB wirklich gut machbar ist, wenn man seine Zeit gut einteilt und die Deadlines einhält.

Ihr hört mehr von mir!

Werde jetzt mich mit Tuure im Pool erfrischen bevor meine Biostunde beginnt.

Juli

Samstag, 4. Februar 2012

31 °C

Hey an meine family, an meine Freunde, UWC-Interessierte und vielleicht ja auch an meine zukünftigen Firstyears (schreib  mir bitte sofort wenn du mein Firstyear sein wirst: julianstorch@aol.de, SOFORT!!!),


in den letzten zwei Wochen ist viel passiert. Die Schule hat angefangen, Communityservices mussten gewählt werden, ich probierte neue Sportarten, wie z.B Rugby aus, wir hatten unseren ersten kurzen Stromausfall und ich habe nun eine feste Freundin, was dem Blogschreiben nicht gerade förderlich ist, wie ihr euch wahrscheinlich denken könnt.


Von einem Erlebnis werde ich etwas genauer berichten:


Letzten Sonntag fand ein alljährliches Ereignis statt, an dem dieses Jahr etwa 70 sportliche Menschen zwischen 11 und 99 Jahren teilnahmen und ich war einer davon. Es ging darum in einem großen Stausee nahe Mbabane eine Meile (1,6km), die Swasimile, zu schwimmen. Die letzten Jahre, so erfuhr ich kurz vorher, wurde das Ereignis durch keine Krokodile und ähnliche Kuscheltiere gestört, aber man weiß ja nie, wo gelangweilte Tierhändler ihre Ware aussetzten, so unser Lehrer der uns zu diesem Ereignis fuhr, selbst aber nicht mitschwamm. Die zu schwimmende Rute war durch Bojen markiert und Motorboote sollten die Schwimmer im Notfall aus dem Wasser holen.  Mein einziges Ziel war, die Mile zu beenden ohne Krämpfe zu bekommen und so schloss ich mich nicht der ersten Gruppe an die in vollem Tempo davonkraulte. Nach 30 Minuten erreichte ich das Ziel. Eine Zeit, mit der ich zufrieden sein kann. Sieger war ein 11-jähriger, der die 1,6 km in knapp 22 Minuten geschwommen war.


Nun zu etwas unerfreulicheren Dingen. Die Schule hat seit letzter Woche so richtig begonnen und die Lehrer versuchten uns mit Hausaufgaben auf die Härte der kommenden zwei Jahre einzustellen. Die Fächer, die ich gewählt habe sind:


Biologie Higher Level
Chemie Higher Level
Wirtschaft Higher Level
Mathe Standart Level
Englisch Language and Literature Standart Level
Spanisch ab initio


Mit meinen Lehrern bin ich sehr zufrieden und die Anforderungen sind noch gut machbar.
Das Kantinenessen ist nicht wirklich gesund, aber meistens lecker und ich werde meistens satt. Zur Not stehen in jedem Korridor Sandwichmaker und ich teile mir mit Rohaan aus Namibia einen Kühlschrank. Er ist momentan auch mein closest friend.
Ich fühle mich immer wohler hier und ich bin mir sicher, dass Waterford eine zweite Heimat für mich wird.
Es ist heiß und mein Laptopakku ist fast leer. Auf zum Pool!


Nächste Woche Samstag ist UWC-Day, den ich für euch fotografisch verfolgen werde.
Ihr hört bald mehr,


Julian

Mittwoch, 25. Januar 2012

Kamhlaba - All of one world

Noch herrscht Ruhe hier im Community-Room meines Hostels. Jeden Tag außer Freitag, Samstag und Sonntag haben wir von 18-20 Uhr Preptime, zwei Stunden des stillen Arbeitens oder die Möglichkeit Schlaf nachzuholen. Gut eine Woche ist der Flug her, die Ankunft in Johannesburg und die ersten Gespräche mit meinen Mitbewohnern. Am Ende unserer zwei Jahre, so unser Schuldirektor Mr. Nodder in seiner Rede sind wir nicht mehr aus Belgien, Burundi und Bangladesh mit all unseren verschiedenen Weltansichten und Vorurteilen, sondern „Kamhlaba“ - All of one world. 
Ich fühle mich insgesamt ziemlich wohl hier, obwohl ich mich natürlich noch nicht ganz eingelebt habe und sich noch keine engen Freundschaften bilden konnten. Ich vermisse meine Familie und mein zu Hause schon ein bisschen und denke in manchen Momenten daran, was sie jetzt wohl gerade so machen.
Man trifft hier auf extrem unterschiedliche Charaktere. Die einen gehen auf jeden zu, der ihnen noch unbekannt ist und fragen ihn aus über das Land, die Fächerwahl usw. Einige kennen sich schon aus Form 1-5 (jüngere Klassen auf dem College) und sind durch die ständigen Einführungen gelangweilt, weil sie ja eh schon alles kennen. Ich gehöre zu der Gruppe, deren Englisch noch eine kleine Hürde darstellt, die sich nur manchmal in Gespräche einklinkt und lieber zuhört. Für die Mehrheit hier auf dem College (alle Swasis, Südafrikaner, Schüler aus Namibia, USA, England) war Englisch schon von Anfang an eine Alltagssprache, die ihnen jetzt überhaupt keine Probleme mehr bereitet. Aber ich merke schon wie mein Englisch besser wird und in einem Monat wird kein großer Unterschied mehr zu spüren sein. 
Die letzte Woche war ein sehr intensives Erlebnis mit kaum Verschnaufpausen.
Als ich am Montag am Flughafen Johannesburg ankam und mein Pass nach längerer Wartezeit endlich abgestempelt wurde, suchte ich in der großen Eingangshalle meine Mitschüler, die sich in kleinen Gruppen zusammengefunden hatten. Nach etwa einer Stunde ging es dann über schlechte Straßen mit zwei Bussen los zum College. Da ich mich ganz nach hinten gesetzt hatte, wo ich die größte Beinfreiheit hatte sprach ich die nächsten sechs Stunden mit zwei Afrikanern aus Simbabwe. Einer war ein National Commetee-Schüler. Der andere hatte beide Eltern verloren und wurde von Capernaum Trust geschickt, einer Organisation, die jedes Jahr Bildungsstipendien für Voll- und Halbwaisen vergibt. Der Druck, der auf die meisten afrikanischen Schüler von ihrer Heimat ausgeübt wird, ist enorm. In vielen afrikanischen Ländern schickt das UWC Komitee nur 4-8 Schüler auf alle UWCs weltweit, obwohl sich jedes Jahr hunderte bewerben. Hat man das Glück einen Platz zu bekommen, erwartet das ganze Dorf einen brillianten Schulabschluss und eine Karriere, die in irgend einer Weise später dem Land dient. Wie schön ist es doch, Eltern zu haben, die keine Bestnoten erwarten und mich zu nichts drängen. 
Sobald wir die Swasigrenze passiert hatten, fing es an zu regnen. Es regnete die ersten zwei Tage durchgehend und man hatte nicht wirklich das Gefühl, einen afrikanischen Sommer zu genießen. 
Da es schon ziemlich spät war bezogen wir unsere Zimmer. Meins war anfangs kleiner als gedacht, aber sobald ich mein Bett frisch bezogen und meine leeren Koffer auf dem Schrank deponiert hatte, war ich einfach glücklich einen so gemütlichen eigenen Raum für mich zu haben.  Der Korridor, in dem ich lebe ist wohl der beste, den ich bekommen konnte. Es leben rund 10 verschiedene Nationalitäten in den 11 Räumen, nur Sebastian und ich kommen aus dem selben Land. (Wales, Mosambik, Namibia, Bangladesh, South Afrika, Finnland, Swasiland...). Gerade eben hatten wir unser erstes Korridor-Meeting. Alle Secondyear-Nachbarn haben uns ihre Hilfe in Sachen Schule, Heimweh usw. angeboten und uns erklärt, welche Wettbewerbe zwischen den Korridoren uns erwarten. 
Nun zu meinem zweiten Tag hier at Waterford. Am Dienstag war der erste Town-Run, der normalerweise immer mittwochs stattfindet. In den Straßen der Hauptstadt versuchen einige Leute dir Sachen zu verkaufen oder dir einen Platz in ihrem Taxi anzubieten. Wir hatten leider nur etwa zwei Stunden Zeit, nicht genug um den Markt zu besuchen und durch alle Malls zu streifen. In dem westlichen Supermarkt hier bekommt man alles, was das Herz begehrt, das aber zu einem Preis der teilweise sogar über dem deutschen liegt, wenn man Markenware wie Coca Cola oder Pringles haben will. Viele lokale Erzeugnisse sind aber viel günstiger als in Europa und in den meisten Kleiderläden findet man nur sehr wenige Einheimische, die sich regelmäßiges Shoppen leisten können. 
Der Basketballtrainer sprach mich natürlich wegen meiner Größe an, als ich zum Klettern in die Halle kam (Klettern war nicht möglich - die längsten Kletterschuhe, die vorhanden waren, hatten Schuhgröße 44.) Ich trainierte also Basketball mit dem Waterfordteam und der Trainer verschonte keinen, da in einigen Wochen ein Turnier in Südafrika stattfindet. Er will, dass ich weitermache, wegen meiner Größe, aber ich denke, dass ich lieber verschiedene Sportarten ausprobiere, anstatt jeden Tag zwei Stunden hart Basketball zu trainieren. 
Freitag: Alle IB1s besuchten verschiedene Plätze in Swasiland, wie z.B das National Museum of Swaziland, in dem wir einiges über die Entwicklung des Swasifolkes und die Kolonialisierung durch die Engländer erfahren konnten. Danach ging es zu einem Ort, in dem viele Swasikünstler ihre Werke zum Verkauf anboten. Weltweit bekannt sind die, von dort kommenden, Swasicandles. Es folgte eine kurze Besichtigung des House on Fire, ein schön gestalteter Platz, der für Konzerte genutzt und von Schülern für Übernachtungen gebucht werden kann. Das leckerste Essen des ersten Jahres erwartete uns in einem Nationalpark. Einige Lehrer und Secondyears hatten ein Braai (afrikanischen Grill) für uns vorbereitet und es war superlecker. In dem Park konnten wir einige Zebras und Antilopen, sowie Affen besichtigen. Es war auf jeden Fall eine Tour, die uns einen kleinen Teil von Swasiland näher gebracht hat. Für Freitag Abend hatten unsere Secondyears eine Coffiebar organisiert, die überhaupt nichts mit Coffie zu tun hat. Es ist einfach ein Abend an dem alle IB-Schüler zu Discomusik tanzen bis sie völlig durchgeschwitzt sind und kaputt ins Bett fallen. Eine tolle Erfahrung.
So, und dann hatten wir am Samstag noch unsere IB-Challenge, die aus 10 verschiedenen Stationen bestand, die wir durchlaufen mussten, wie z.B ein Musikstück mit Trommeln und Gesang einproben, einen Berg in einer bestimmten Zeit besteigen, eine Legolandschaft nachbauen. Blind. Die anderen Gruppenmitglieder durften mich nur mit Worten leiten. Am Samstag Abend hatten wir ein IB-Quiz, das meine Gruppe souverän gewann. Den Sonntag Vormittag wurde von mir zum Vernichten meiner Müdigkeit, verursacht durch Schlafmangel, genutzt, und ich nahm mir vor, die traditionelle Kirche hier ein andermal zu besuchen. 
Die Kultur Swasilands wurde uns abends von den lokalen Schülern durch Tänze, Gesang und eine kurze Präsentation gezeigt und wir durften in Continentalgroups  einen Teil dieser Welt kreativ präsentieren. Ich hatte Eastern Europe und wir tanzten einen Sirtaki, den wir mit einer griechischen Schülerin vorbereitet hatten.
Montag: Heute war die ganze Schule, aufgeteilt in kleine Gruppen, samt Lehrern mit Communityservices in Swasiland beschäftig. Diese sozialen Arbeiten spielen auf jedem UWC eine große Rolle und müssen von jedem Schüler belegt werden.

Meine Gruppe wurden mitten in ein Naturschutzgebiet gefahren, das einem Urwald glich. Mitten in diesem Gebiet stehen einige Gebäude, die von Schulklassen, die biologische Forschung in dem Gebiet betreiben wollen, gebucht werden können. Unsere Aufgabe bestand darin, mit Macheten, wie Indianer Jones, einen Pfad von wuchernden Sträuchern und Bäumen zu befreien, wobei wir darauf achten mussten einige Bäume, die nur selten zu finden sind, stehen zu lassen und einige giftige Pflanzen nicht ohne Handschuhe zu berühren. Keine der angekündigten Giftschlangen kreuzte unseren Weg, sodass wir eine anstrengende aber gute Zeit dort hatten. Bilder werden bald auf meinem Blog zu finden sein. 
Wie ihr sehen könnt, war das Programm der ersten Woche wirklich überwältigend und lies kaum Raum für Heimweh oder ähnliche Sorgen.
Über die Schule, die schon am Dienstag begonnen hat, werde ich in den nächsten Wochen berichten. 
Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, oder lieber eine kürzere Zusammenfassung der Ereignisse wünscht ---> Kommentare

Euer Juli

Donnerstag, 19. Januar 2012

Gigantic Bird

Eigentlich bin ich nicht dafür, den allerersten Blogeintrag mit Schleichwerbung zu beginnen, aber Emirates ist super, das muss einfach gesagt sein. Gut gesättigt, nach einem Hühnchencurry mit Reis und Bohnen (um mich schon mal auf die alltägliche Kost am College einzustellen) und einem „chocolate brownie with a cherry filling and a rich chocolate sauce“ (so außergewöhnlich wie es klang war‘s dann doch nicht) werden mir nun alle zehn Minuten Getränke angeboten. Jeder hat seinen eigenen Bildschirm mit Unmengen an Filmen und Serien und auf der Toilette kannst du deine gewaschenen Hände mit Rosmarienduft besprühen. 
Ich sitze im größten Passagierflugzeug der Welt, dem Airbus A380, und bin auf dem Weg zu meinem bisher größten Abenteuer. Sobald man durch das Fenster schaut, sieht man unzählige Lichter der bewohnten Gebiete. Vorne rechts taucht ein riesiges Lichtermeer auf . Bagdad. Auf seinem Bildschirm kann jeder Passagier die Flugroute verfolgen. 
Die übrige halbe Stunde Flug bis Dubai werde ich euch erzählen wie alles begann... (you can skip this section if you are a close friend or family member) 
Schon vor drei Jahren hatte ich den Wunsch für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Ich bewarb mich für das Parlamentarische-Patenschafts-Programm (PPP) des Bundestages, das mir fast ein Highschooljahr in den USA ermöglicht hätte. In der Endauswahl wurde ich jedoch nur Nachrücker und der Traum war geplatzt. Auch im Folgejahr wurde meine PPP-Bewerbung in der Endauswahl abgelehnt, eine Chance, meinen Wunsch zu erfüllen aber blieb mir noch. Über einen Zeitungsartikel hatte ich von einer Organisation erfahren, die jedes Jahr Jugendträume wahr werden lässt. Den United World Colleges. Nach meiner schriftlichen Bewerbung, in der Soziales Engagement, meine Interessen und meine schulischen Leistungen geprüft wurden bekam ich eine Einladung zum UWC-Auswahlwochenende nahe Frankfurt. Schon diese drei Tage zusammen mit ca. 70 anderen UWC-Bewerbern lassen erahnen, was für eine vorurteilsfreie Atmosphäre auf den Colleges herrscht, die dir Raum gibt einfach du selbst zu sein. Raum den es auf den meisten deutschen Schulen und überhaupt in unserer Gesellschaft kaum noch gibt. Von der Konkurrenz zwischen den Bewerbern war nie etwas zu spüren und es bildeten sich einige Freundschaften. Für alle zukünftigen UWCler: Man kann sich nicht wirklich auf die Aufgaben vorbereiten, die einen erwarten. Sei du selbst! Der Satz, den ihr wohl am häufigsten von Alumnis oder derzeitigen UWClern hört, sollte während des gesamten Wochenendes in eurem Hinterkopf sein. 
So wir landen in Kürze, ich werde diesen Eintrag bald fortsetzen.
Nachdem ich auf dem Dubai Airport zwei Stunden zwischen den Regalen der Dutyfreeshops herumgestreift bin, um noch letzte Einkäufe für die Zeit am College zu machen (von duty free ist nicht viel zu spüren), habe ich nun endlich einen schönen Liegesitz ergattert auf dem ich die nächsten zwei Stunden verbringen werde. 
Wir waren beim Auswahlwochenende stehen geblieben. Einige Tage nach diesem wirklich wunderbaren Wochenende bekam ich einen dicken Brief nach Hause mit der Nachricht, das ich die nächsten zwei Jahre auf dem United World College in Mostar (Bosnien-Herzegowina) verbringen darf. Ich wäre mit jedem College zufrieden gewesen und Mostar war auch unter meinen Favoriten, also habe ich mich wahnsinnig gefreut. Jacob, ein anderer Bewerber hatte einen Platz in Swasiland, wollte aber unbedingt tauschen, da er bei Collegbeginn (heute) ein halbes Jahr vor seinem deutschen Abi gestanden hätte, also praktisch eineinhalb Jahre Schule draufgelegt hätte. Nach längerem Überlegen und etlichen Pro- und Contralisten, entschied ich mich dafür, mit ihm zu tauschen. Ob ich es ein bisschen bereue, was ich aber bezweifle, weiß ich erst in einigen Wochen. Das letzte halbe Jahr bin ich noch in meine deutsche Schule gegangen, was ich nicht gemusst hätte. Ein Praktikum oder ähnliches wäre auch möglich gewesen. 
In zehn Stunden werde ich einen Teil meiner neuen Mitschüler in Johannesburg zum ersten mal sehen. Klar, das die Anspannung steigt. Sechs Stunden dauert dann noch die Busfahrt zum College, wo ich heute Abend mein Einzelzimmer beziehen werde. Anders, als auf den anderen UWCs gibt es in Waterford nur wenige Mehrfachzimmer.
Das Programm für die neuen Schüler beginnt am Dienstag um 10:30 Uhr mit einem Townrun in die Swasihaupstadt Mbabane, die mit dem Auto ca. 20 Minuten vom College entfernt ist. An den Folgetagen warten viele Einführungen, Vorträge und Teambildende Maßnahmen auf uns, die teilweise auch von unseren Secondyears geleitet werden. Viel mehr gibt es bis jetzt nicht zu berichten. 
Ich werde versuchen spätestens nach der Orientationweek den nächsten Eintrag zu schreiben, 
Juli