Montag, 14. Januar 2013

Report nach einem UWC-Jahr


Hallo ihr Lieben,

Heute Abend fliege ich wieder zurück nach Swasiland und bin schon von Vorfreude erfüllt. 
Da ich schon länger nichts mehr geschrieben habe, könnt ihr nun meinen Report lesen, den ich für meine Sponsorinnen und meine Familie verfasst habe. Darin reflektiere ich noch einmal das bisher Erlebte und erzähle auch ein bisschen von meiner Reise nach Simbabwe, deren Bilder ihr schon unter "Fotos Simbabwe" finden könnt.

Report nach einem UWC-Jahr am Waterford Kamhlaba UWCSA
Julian Storch – 2012/2013


Noch vor zweieinhalb Jahren war UWC mir genauso unbekannt wie es fast allen fremden Menschen ist, die mich nach meiner Vorstellung verdutzt fragen: “Warum Swasiland?” Oft höre ich Vorurteile mitschwingen in diesen Äußerungen. Die Vorstellung einer internationalen Schule mit Ausbildung auf Weltniveau passt nicht wirklich in das Bild das viele Europäer von Afrika haben. Fast immer schaffe ich es jedoch, sie von dem Konzept UWC zu überzeugen. Im nachfolgenden Report werde ich kleine und große Ideen, Anekdoten aus meinem Schulleben und rückblickende Erkenntnisse erzählen, die euch einen kleinen Eindruck davon geben, wie UWC mich im ersten Jahr verändert hat.

Wo alles begann

Ein Artikel, ausgeschnitten aus seiner Schleswig-Holsteiner Regionalzeitung änderte damals mein Leben. Dafür bin ich und werde ich wohl auch für immer dankbar sein.  Begeistert las ich Erlebnisberichte, die Websites aller Colleges und die Blogs aller deutschen UWC-Schüler. Das war es wonach ich mich schon seit vielen Jahren gesehnt hatte. Eine Schule die nicht nur trockene Theorie lehrt, sondern viel mehr, die Gleichgesinnte beherbergt, welche den Schulstoff nicht als Qual ansehen und von ihren Eltern zum Lernen gezwungen werden müssen, sondern das Lernen genießen. Schon hier zu Hause hatte ich mich nach mehr Selbständigkeit gesehnt, nach mehr eigenen Kontrolle über mein Leben. Der Traum, mit einem Stipendium für ein Jahr nach Amerika in eine Gastfamilie gehen zu können scheiterte zwei mal im letzten Auswahlgremium. Ich wollte raus aus Deutschland und endlich diese Orte besuchen die ich nur aus Dokumentationen und Zeitungsartikeln kannte. Bin ich froh, dass ich nicht für das Amerikastipendium ausgewählt wurde J

Mitten im Strudel aller Kulturen

Es ist nicht leicht, genau zu benennen, wie sich meine Persönlichkeit, mein Charakter verändert hat, aber ich merke, dass dieses eine Jahr mich geformt hat. Wenn ich mir alle Kulturen, Religionen und Weltvorstellungen wie das Wasser eines Flusses vorstelle, das die Persönlichkeiten aller Menschen in unterschiedlicher Weise formt wie Kieselsteine im Flussbett, so wurde ich im letzten Jahr vom fernen Ufer an dem ich als Beobachter die anderen Kulturen nur durch das Auge deutscher Medien wahrnahm mitten hineingeschleudert in das tosende Wirrwarr. Ich denke, ich kann mich glücklich schätzen, dass ich den Weg nach Swasiland fand, wo sich meine Sicht auf die Welt so sehr von den Weltanschauungen ganz vieler Mitschüler deutlich unterschied. Plötzlich wurden viele europäische Wertvorstellungen in Frage gestellt. Ich diskutiere mit Freunden, die westliche Entwicklungshilfe scharf verurteilen, die Europa schon für wirtschaftlich zerstört sehen und mir erklären, warum nun die Zeit Afrikas komme, die Homosexualität für reine Provokation halten und deren Hauptmotivation für die Verbesserung der Welt die Vorstellung ist, dann nicht in der Hölle leiden zu müssen sondern direkt in den Himmel zu kommen. Trotz dieser enormen Unterschiede gehören viele dieser Mitschüler zu meinen besten Freunden und das ist es ja, was UWC uns vermitteln kann. Kulturen und Religionen können sich noch so sehr voneinander unterscheiden - Frieden zwischen den Völkern ist möglich, wenn wir uns endlich gegenseitig als gleichwertige Menschen respektieren und bereit sind, voneinander zu lernen.
Freunde, die dich wirklich kennen

Ich habe Freunde gewonnen in Waterford, Freunde, die mich wirklich kennen.
Freunde...
...für die ich keine Rolle spielen muss
...die sofort merken, wenn es mir nicht gut geht
...die Freunde blieben, auch wenn ich sie tief enttäuscht habe
...die an meiner Schulter ihren Liebesfrust ausweinen können
...die ich auch um 4 Uhr nachts aufwecken kann, wenn ich sie brauche
...denen ich mein Leben anvertrauen würde
...mit denen ich Traditionen pflege
...die ich nach zwei Wochen jetzt schon vermisse

Freunde fürs Leben


Was für eine Gemeinschaft

Schon nach wenigen Wochen am College sprach mich der Basketballtrainer an. Durch meine Größe war er auf mich aufmerksam geworden und wollte mich für das Schulteam anwerben. Ich war etwas skeptisch, da Basketball ziemliches Neuland für mich war und ich schon sehr schlechte Erfahrungen mit einem Fußballteam gemacht hatte, in dem ich als Neuling nicht akzeptiert wurde. Das Team in Waterford jedoch nahm mich sofort auf und half mir beim Training so gut sie konnten. Einige Spieler blieben mit mir länger in der Halle um mir Einzeltraining zu geben. Ich fühlte mich von Anfang an voll respektiert und nach kleinen Erfolgen während dem Training bekam ich immer Lob von vielen Mitspielern. Nun bin ich gut im Team integriert und genieße Basketball als eine meiner Hauptaktivitäten.
Auch im Alltag begegnen sich Schüler auf einem mir vorher unbekannten Level aus absolutem Respekt und kreieren damit eine Atmosphäre, die mir auf meiner alten Schule gefehlt hat. Es gibt kein Mobbing, keine lauten Konflikte und jede Stimme wird gehört. Natürlich ist die Waterford-Gesellschaft nicht perfekt aber sehr nahe dran.

Was für eine Challenge

Bevor ich nach Waterford kam zählte ich Organisationstalent nicht gerade zu meinen größten Stärken. Es machte mir nichts aus vor großen Gruppen zu reden, aber ich traute mir einfach nicht zu, den Überblick zu behalten, wenn alles drunter und drüber ging. Aber dann kam die In-House-Leavers Feier, ein Fest für beide IB Jahrgänge und die Lehrer (250 Leute), organisiert durch die IB1s. Ich trug mich in die Liste des Koch-Komitees ein und wurde dann als Vorsitzender vorgeschlagen und ernannt. Unsere Aufgabe war es, für alle Gäste ein Menü zusammenzustellen, alle Zutaten einzukaufen, zu kochen und zu servieren. Das meiste der Vorarbeit blieb an mir hängen. Ich befragte IB2s nach ihren Essenswünschen, teilte Gruppen für die verschiedenen Gänge ein und fuhr etliche Male in die Stadt um alles zu besorgen, was mit einem sehr limitierten Budget nicht leicht war. Am Tag der Feier, hatte ich sehr viele Mitschüler auf meiner Seite, die alle tatkräftig mithelfen wollten, mich aber natürlich pausenlos nach Aufträgen fragten. Am Ende war ich sehr froh, dass wir früh morgens angefangen hatten und rechtzeitig servieren konnten. Es wurde eine wunderbare Veranstaltung und jeder war sehr zufrieden – auch mit dem Essen. Dank dieses Erfolges wurde ich nun neben sechs weiteren Schülern für ein Organisationsteam ausgewählt, das den 50. Geburtstag des Colleges im nächsten Jahr organisieren soll, samt dem Besuch des Königs und mit etwa 1500 Teilnehmern. Das sind die Erfahrungen die mich formen, die mir meine Stärken und Schwächen zeigen können und auf die ich mich jetzt schon freue.

Deadlines über Deadlines

Warum heißt es eigentlich Deadline? Suggeriert der Name, dass Schüler, nachdem sie die Arbeit nach nächtelanger Konzentration endlich abgegeben haben, wie tot ins Bett fallen? Das könnte man in Waterford meinen, wenn man Mitschüler selbst in einer nur 40 minütigen Freistunde schlafend vorfindet. IB macht uns zu schaffen. Daran gibt es keinen Zweifel. Da unsere IB2s in ihrem letzten Jahr unmenschlich viele Arbeiten schreiben mussten, entschieden sich die Lehrer für uns das zweite Jahr zu erleichtern, in dem sie vieles nach vorne verschoben. In unserem dritten Term waren wir dadurch sehr beschäftigt. Aber insgesamt genieße ich das IB und die Herausforderungen, die es birgt. Ich habe das Gefühl, dass es mich viel besser auf die Lernatmosphäre an den Universitäten vorbereitet als das deutsche Abitur. Ohne Eigenverantwortung und gutem Zeitmanagement kommt man nicht weit. Andererseits gibt es Wochen in denen das IB fast kein UWC mehr übrig lässt, da jeder nur noch in seinem Zimmer sitzt und auch die Gespräche sich nur um Schule drehen. Diese Wochen werden wohl einen Großteil des nächsten Jahres füllen, fürchte ich. Aber da muss ich durch und ich bin fest entschlossen am Ende mein Bestes zu geben.

Vom Reisen

Reisen mit Freunden ist eine wunderbare Erfahrung. Reisen mit Freunden in Afrika ist noch besser. Das Beste jedoch ist eine Reise mit einer Gruppe von UWC-Freunden in Afrika, die der Welt so neugierig gegenüberstehen und das Land oder die Stadt nicht nur wie normale Touristen erleben wollen. Meist wird vorher nicht viel geplant, was dann zu Unvergesslichem führen kann. Ich war mit Freunden bereits in Mosambik, Kapstadt, Namibia und nun vor einigen Tagen in Simbabwe. Die zweiwöchige Reise nach Simbabwe war die wohl eindrucksvollste von allen.

Mit einer Französin und einer Norwegerin, die auch in meinem Jahrgang sind fuhr ich mit einem Bus von Johannesburg nach Masvingo, einer kleinen Stadt nahe den alten Ruinen von Great Zimbabwe (Bedeutung: Großes Haus aus Stein), die dem Land übrigens auch seinen Namen gaben. Es war schon fast dunkel als wir ankamen, da der Bus auf halber Strecke eine Panne gehabt hatte und ein neuer Bus geschickt werden musste. Das Backpackers war ausgebucht und wir wussten nicht so wirklich, wo wir die Nacht verweilen sollten. Während die beiden Mädchen Essen einkauften, passte ich auf unser Gepäck auf. Neben mir parkte ein Auto, dessen Fahrer sitzen blieb, so lange seine Frau ihre Einkäufe machte. Wir unterhielten uns und stellten fest, dass sein Vorname mit meinem zweiten Namen übereinstimmte: Emanuel. Dann erzählte ich ihm, dass wir drei Schüler aus Swasiland seien und wir erst vor wenigen Minuten in seiner Stadt angekommen wären. Er erwiderte, dass seine Schwiegermutter auch aus Swasiland komme und hier in der Stadt ein Haus hätte mit ihrem Sohn Tafara. Emanuel rief dann letztendlich seine Schwiegermutter an und fragte, ob sie bereit sei, drei „Mitbürger“ in ihrem Haus für eine Nacht aufzunehmen. Sie stimmte zu, wir wurden zu ihrem Heim gefahren und ganz lieb begrüßt. Wir bekamen zwei Gästezimmer und am Morgen bereiteten wir zusammen ein wunderbares Frühstück vor -  Tafara hat ein eigenes Catering-Unternehmen. Da es Sonntag war, wurden wir auch noch in die Kirche eingeladen und dort von vielen Mitgliedern neugierig befragt. Tafara organisierte uns dann Transport zu Great Zimbabwe und begleitete uns sogar. Er war ganz traurig, dass wir ihn verließen. Wir hätten etwas Abwechslung in das Haus gebracht, über die er ganz froh war.
Ohne unsere UWC-Erfahrung wäre diese Freundschaft wohl nie zu Stande gekommen. Voll von Vorurteilen und Misstrauen, geprägt durch das europäische Bild von Afrika wären wir wahrscheinlich nie mit einem fremden Afrikaner mitgefahren oder ich hätte das Gespräch gar nicht erst angefangen. Somit ist dies ein Beispiel dafür, dass UWC auch außerhalb des Colleges zur Völkerverständigung und Austausch zwischen den Kulturen beitragen kann. Ich werde die Gastfreundlichkeit dieser Familie nie vergessen genau so, wie sie wohl immer wieder an uns zurückdenken werden. Sie haben unsere Sichtweise auf Bürger in Simbabwe zum besseren verändert. Simbabwe wird von uns allen von nun an als sehr gastfreundlich angesehen. Als ich dies Tafara sagte, strahlten seine Augen und er umarmte mich.  Als wir abreisten erzählte uns Tafara, dass das doch sehr traurig sei, da sein Onkel uns so gerne noch zum Fischen mitgenommen hätte.
Wir hatten während unser Reise noch so einige Begegnungen dieser Art: Ein junger Mann aus Soweto, der uns vor einem Überfall rettete, ein Unternehmer mit Rastalocken, der uns nachts ganz nah an die Victoria Fälle führte, Ein Künstler, der in unserem Backpackers mitgehört hatte, dass wir zum Bahnhof müssen und dann sofort vorschlug uns zu fahren und der Chef eines Rafting Unternehmens, der unser geringes Reisebudget verstand und uns eine Rafting tour für den halben Preis verkaufte, die auch noch von ihm geleitet wurde. Das ist es, was Reisen in Afrika von Deutschland unterscheidet. Die meisten sind Fremden gegenüber sehr aufgeschlossen und viele wollen helfen. Sie sind stolz, Fremden ihr Land oder ihre Stadt zeigen zu dürfen.
Es gibt noch viel zu entdecken – nächstes Jahr.

Liebe Grüße,

Julian

Montag, 22. Oktober 2012

It’s gonna be all right!


Hey meine liebe Familie, Freunde, future Firstyears und UWC-Fans,

es wird mal wieder Zeit. Eigentlich wurde es schon vor Monaten Zeit einen neuen Eintrag zu schreiben, aber... naja... eigentlich habe ich keine gute Ausrede für mein wochenlanges Schweigen, außer dass der Schul-Stresspegel sich hier seit Beginn des Terms auf bisher mir unbekannten Höhen befindet.

Die Ferien zu Hause waren ein Genuss. Ich fand sehr schnell wieder in den alten Tagesablauf und das Leben im kleinen Bad Endorf und es war einfach schön wieder Familie und Freunde um mich zu haben, wieder mit meinem geliebten Bruder Kartenspiele auszufechten, in den glasklaren Seen in unserer Gegend baden zu gehen und vieles mehr. Meine Verwandten sind weit verstreut und ich durfte lange Reisen unternehmen um alle zu sehen. Natürlich wurde ich mit Fragen bombardiert, was mir aber auch half mein bisher Erlebtes selbst zu reflektieren. Am Ende der Ferien freute ich mich wieder auf meine Freunde in Waterford und die Ankunft hier am College war einfach nur wunderbar. Die Beziehung zu Freunden hat sich über das letzte Jahr verändert. Anfangs versuchte jeder, jeden als Freund zu gewinnen. Im ersten Term gab es am Abend immer eine Umarmungszeremonie vor allem zwischen den IB1s. Feste Freundschaften waren noch nicht geschaffen und man versuchte sich durch viele Freundschaften halt in dieser neuen Welt zu gewinnen und sich alle Optionen offen zu halten. Heute habe ich meine festen Freunde, mit denen ich mich super verstehe und denen man all seine Probleme anvertrauen kann ohne eine Verbreitung zu fürchten. Aus den durchschnittlich etwa 50 Umarmungen am Anfang sind nun vielleicht zwei oder drei geworden, die einem aber viel mehr bedeuten.
Ab Term 3 habe ich auch das Gefühl mich so richtig selbstbewusst und sicher durch den Collegealltag zu bewegen. Englisch ist überhaupt kein Problem mehr (für diesen Blogeintrag benutzte ich sogar das dictionary um das englische “familiar with” in das mir enfallene “vertraut mit” zu übersetzen), ich kenne die Lehrer, weiß, wer für was zuständig ist und bin vertraut mit der Hauptstadt Mbabane und anderen Swazi-Locations. Ich bin rundweg glücklich, erfüllt und sehe motiviert in die Zukunft.
Mit etwas Wehmut genieße ich die letzten Wochen mit unseren geliebten IB2s, die schon anfangen all ihre Sachen an uns zu verkaufen. Dieser Abschied ist für alle UWC-Firstyears schwierig und es wird einem schlagartig bewusst, das man selbst schon in einem Jahr diese Welt für immer verlässt. Wie schnell doch die Zeit vergeht.
Ich freue mich jedoch schon sehr auf unsere Firstyears. Moritz, Philipp und Stella - ihr seid herzlich willkommen und wie werden versuchen euren Start so leicht und angenehm wie möglich zu machen. Ich habe noch sehr gute Erinnerungen an meine Erfahrungen der ersten Tage.

Meine Pläne für die nächsten Ferien im Dezember sind wie folgt: die ersten zwei Wochen reisen zwei Freundinnen mit mir nach Simbabwe zu den angeblich atemberaubenden Victoriafalls. Danach gehts nach Hause über Weihnachten, in denen ich meine Weisheitszähne verlieren werde und weitere spaßbringende Aktivitäten auf mich warten, wie zum Beispiel das Schreiben meines Extended Essays. Nein, ich werde es genießen! Weihnachten zu Hause ist etwas ganz besonderes. Für die IB1-Orientationweek komme ich dann wahrscheinlich wieder zurück nach Waterford.

Ok nun mal zu erwähnenswerten Ereignissen und Entwicklungen:
Wir hatten Group 4-Projekttage an denen alle naturwissenschaftlichen Schüler zusammen Experimente entwerfen durften, um einen Sachverhalt zu untersuchen. Dabei kam es aber nicht auf die Ergebnisse sondern auf die Teamarbeit, Aufgabenverteilung und das Gruppenklima an, die auch benotet werden und dann einen winzigen Prozentanteil an meiner finalen Bio- und Chemienote darstellen. Insgesamt lief es meiner Meinung nach in unserer Gruppe ziemlich schlecht: Die Arbeit neben den Experimenten (Recherche, Auswertung, Plakat gestalten) blieb an einzelnen Schülern hängen und die meisten Schüler hatten auch keine kreativen Ideen, mit denen sie zu aufregenderen Experimenten hätten beitragen können. Trotzdem konnten wir unsere Lehrer im Interview vom genauen Gegenteil überzeugen und stellten uns als eine Traum-Truppe dar :). Mal schauen wie die Noten so ausfallen werden.

Für die IB2s durften wir IB1s eine In-house-leavers Feier vorbereiten die im Kontrast zu den official leavers eher einer großen Faschingsfeier glich. Unser Theme war “Superheroes” und jeder Korridor wählte sich einen Helden aus und repräsentierte diesen während der Zeremonie. Da unser Jahrgang auch das Kochen für etwa 250 Leute übernehmen musste meldete ich mich für das cooking comitte und wurde zum Vorsitzenden ernannt, was einen riesen Berg an Arbeit mit sich brachte. Letzendlich lief alles super und ich habe weitere wichtige Erfahrungen in Sachen Organisation gemacht. Was es gab? Pizza (Mexican, Hawaiian, Chicken, Vegan, Vegetarian, Ham...), Pasta mit zwei verschiedenen Soßen, einen Riesen-Salat, zwei Superman Torten, chocolate mouse, Götterspeise in drei Farben und Brownies.

Seit Term 3 gibt es einen neuen Volunteer in Waterford. Jay June graduated dieses Jahr am Mahindra College und hat sich ein Jahr Pause gegönnt, bevor es an die Uni geht. Ich verstehen mich bestens mit ihm und wir hatten schon viele interessante Gespräche in denen wir auch die beiden Colleges verglichen haben. Nun will er sich an der Jakobsuniversität in Bremen bewerben. Jay startete das Projekt “Gemüseacker” und ich helfe ihm beim Pflanzen, wässern und Unkraut-jäten. Da er das College schon im Dezember wieder verlässt, übernehme ich vielleicht das Projekt.

Diese Woche stehen unsere ersten wichtigen Examen an. Alle Fächer werden in 10 Tagen geprüft unter IB Endexam-Bedingungen. Für einige Universitäten spielen diese Noten eine Rolle.

Letzen Mittwoch hatten wir einen 10-mütigen Tango-Auftritt am “Evening of dance”. Das Video hierzu muss von mir noch bearbeitet werden und wird dann irgendwann auf der Website von Waterford zu finden sein. Es lief sehr gut. Unsere Lehrerin plant schon den nächsten Auftritt zum 50. Jubiläum von Waterford Kamhlaba nächsten April, zu dem Desmond Tutu und wahrscheinlich besuchen wird. Ich will unbedingt die Möglichkeit bekommen aufzutreten. Wer kann schon behaupten in seinem Leben mal für Desmond Tutu Tango getanzt zu haben ;)

Sofort nach den Exams findet für die Biologie HL-Schüler, also auch für mich ein Biotrip in ein Naturreservat in Swasiland an. Was uns die Natur hier an Artenvielfalt und unberührter Landschaft bietet muss natürlich auch von uns Waterfordians gewinnbringend genutzt werden. Drei Tage lang werden wir durch den Wald ziehen und Insekten, Pflanzen und Tiere zählen um dann die Größe verschiedener Populationen einschätzen zu können. Daraus entstehen dann auch Noten, die zu unserem Abschlusszeugnis beitragen. Bilder und Berichte hierzu folgen.

Die beim letzten Eintrag versprochenen Bilder von meinem Wochenende in einem Homestead sowie wenige Bilder vom Brotbacken am “European Evening” sind nun endlich unter “Homestead & Brotbacken” zu finden. Ich entschuldige mich für die Verspätung.

Ich wünsche euch einen schönen Winteranfang.

Liebe Grüße,

Juli

Donnerstag, 9. August 2012

Bursting Bubble


Hey meine Lieben,

wieder einmal ist ein ganzer Monat vergangen seit meinem letzten Bericht aus Swasiland. Wieder habe ich viel erlebt und stehe nun kurz vor meiner ersten Rückkehr in mein zweites zu Hause das mir jedoch emotional immer noch näher steht als dieses College an dem ich nun seit sieben Monaten ein abwechslungsreiches aber stressiges Leben verbringe. Mal sehen, wie das nach zwei Jahren aussieht.
Ich muss mich erstmal entschuldigen für den angekündigten ZEIT-Artikel der einfach nicht erscheinen wollte, ganz egal wie oft ich die Inhaltsverzeichnisse der letzten Ausgaben auf- und ablas. Von Mr. Nodder, unserem Direktor, erfuhr ich dann, dass Frau Otto nach ihrem Collegebesuch in den Urlaub gefahren ist und der Artikel erst nach ihrer Rückkehr veröffentlicht wird. Vielleicht klappt es ja diese Woche ;)
Ein anderer Artikel hat es jedoch an die Öffentlichkeit geschafft. Eine Kommunikationsstudentin hatte mich vor zwei Monaten interviewed, um in der Münchner Universitätszeitschrift einen Artikel über Waterford und UWC im allgemeinen zu verfassen. Das Magazin: “Communichator” kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:
Der Waterford-Artikel ist auf Seite: 28
Viel Spaß beim Lesen. Leider ist die Beschriftung des ersten Fotos etwas irreführend. Meiner Meinung bin ich der erste und nicht der zweite von rechts.
So, aber nun zu Neuigkeiten aus dem letzten Monat:

Eine sehr gute und lebensbereichernde Erfahrung war die Erfüllung eines Planes, den ich schon seit einigen Monaten hegte. Der Besuch einer durchschnittlichen Swasifamilie. Die Mutter einer Mitschülerin, die als Entwicklungshelferin in einer Swasi-Community arbeitet, organisierte mit den Kontakt. So stieg ich also um 4 Uhr am Freitag nach der Schule in einen Minibus, der mich in eine kleine Stadt brachte, Piggs Peak. Dort musste ich einen anderen Minibus besteigen, den Vater der angestrebten Familie anrufen und das Handy an den Busfahrer weiterreichen, dem dann die Bushaltestelle auf SisSwati erklärt wurde, an der er stoppen und mich rauslassen sollte. Es war mittlerweile stockdunkel und ich war sehr gespannt, was genau mich am Ende dieser kleinen Reise erwartete. An dieser Stelle muss ich mich für mein schlechtes Namensgedächtnis entschuldigen. Swasinamen mit all den Klick- und Schnalzlauten wollen einfach nicht in mein Hirn und so kann ich meine Gastgeber nicht namentlich nennen, vielleicht klappt das nach meinem nächsten Besuch dort, der auf jeden Fall folgt. Ich wurde also von dem Familienvater, der des Englischen mächtig war, und seinem jüngeren Bruder empfangen und über holprige Sandwege zu einem Homestead geführt. So nennt man hier das Wohngebiet einer Großfamilie mit einigen kleinen Häuschen, Feldern und jede Menge Tieren. Im Wohnzimmer des Haupthauses begrüßten mich 7 weitere neugierige Gesichter. Die Großmutter sitzt mit ihrer Tochter und 5 Enkeln an einem kleinen Tisch, arbeitet an einem Handbesen und begrüßt mich freundlich auf SisSwati, die Kinder schauen mich anfangs sehr skeptisch an. Ich war der zweite Weiße, den sie bisher in ihrem Haus gesehen hatten. Es wurde Tee serviert, gebraut aus dem Zitronengras, das vor der Haustür in großen Büschen wächst (ich werde ein großes Paket getrocknet mit nach Hause bringen) und mir wurde ein Abendessen, bestehend aus Pap (Maisbrei) und Hühnchen in einer gewürzten Soße gebracht, das die ältere Tochter, die auch schon ein zweijähriges Kind hat, zubereitete. Natürlich bekam ich als Gast die größte Portion, obwohl ich mich dagegen wehrte. Aus der Stadt hatte ich einen Laib Brot mitgebracht, den ich unter meinen Gastgebern verteilte. Plötzlich waren die Kinder nur noch an dem Brot interessiert und ließen den altbekannten Maisbrei liegen. So hatte ich mir das eigentlich nicht gedacht, aber naja. Mit dem Vater und seiner Schwester konnte ich mich auf Englisch austauschen, über mein Leben auf dem College, über ihr Leben als kleine Landfamilie, die sich mit immer neuen Ideen finanziell über Wasser halten muss und natürlich waren die beiden auch ganz neugierig wie es bei mir zu Hause aussieht, wie groß meine Familie ist, was meine Eltern machen und so weiter. Der Rest der Familie schaute fern, schwarz-weiß, was aber nur an einer Dauerstörung des Empfangs lag. Die Kinder schliefen nach einer Stunde ein und wurden von ihren Eltern ins Bett getragen und ich durfte nach einem Besuch den Plumpsklos 50m vom Haus entfernt in dem Rundhaus des Vaters auf einer Matratze eine ruhige Nacht genießen, bis morgens um 5 Uhr. Dann nämlich fängt bekannterweise der Hahn an zu krähen und meine Familie hatte gleich zwei oder drei, die auch noch die zwei Hunde aufweckten und schon war da ein Höllenlärm draußen, der aber nicht zu lange andauerte. Der nächste Tag begann mit Wasserschleppen. Der Familienvater hatte vor einigen Monaten angefangen ein neues kleines Haus zu bauen und der Boden sollte mit Wasser begossen und dann mit einem Stampfer per Hand glattgestampft werden. Die Wasserstelle war glücklicherweise nur 100 m weit entfernt, aber 20l-Kanister sind trotzdem ganz schön schwer. Am ersten Tag half ich beim Hausbau, Erdnüsse schälen und spielte mit den Kindern, die nun keine Angst mehr hatten und mir ihre selbstgebauten Drahtautos und die verschiedenen Tiere zeigen wollten. Einige Facts die ich während meinem Aufenthalt dort gelernt habe:

62 % aller Swasis verdienen weniger als 2$ pro Tag aber viele Familien dort ernähren sich von ihren eigenen Erzeugnissen und verdienen fast kein Geld, ein trauriges Leben muss das absolut nicht sein. Wir haben das ganze Wochenende gut von den Vorräten gelebt, die die Familie nach den Ernten anlegte.

Der soziale Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft ist sehr stark und es wird sich geholfen, wo Hilfe benötigt wird. Wenn eine Familie eine Kuh schlachtet wird oft die ganze Nachbarschaft für ein Festessen eingeladen.

Kreative Bewohner der rural areas denken sich immer wieder neue Einkommensquellen aus und haben ohnehin schon eine breite Palette an kleinen Quellen wie z.B Fruchtbäume, Kunsthandwerk, Maisfelder, Hühner, eine Pilzhütte, in der essbare Pilze wachsen, Erdnusspflanzen, Gewürzgarten, Heilpflanzen, Kühe, Ziegen.

Das Geld wird dann oft in die Bildung der Kinder investiert, da die Eltern in die Zukunft investieren wollen. Gut verdienende Kinder sind auch ihre eigene “Rentenversicherung”. In meiner Familie gingen zwei Kinder und der jüngerer Bruder des Familienvaters in die nahegelegene Schule.

Saubere Kleidung ist sehr wichtig und wir gingen zusammen zum Fluss um dort zu waschen. Das ist hier nicht nur ein Frauenjob!

Ein weißer Besucher, im besonderen wenn dieser eine Schubkarre schiebt, während der Gastgeber neben ihm geht, war dort anscheinend eine absolute Rarität und wurde mit viel Gelächter und Zurufen von den anderen Dorfbewohnern kommentiert.

Kleinkinder von 1.5 Jahren werden hier unbeaufsichtigt auf dem Hof sich selbst überlassen, wodurch sie aber erstaunlich schnell lernen und wohl jedes deutsche Kind in Geschicklichkeit und Selbständigkeit in den Schatten stellen würden. z.B Unser kleiner war fähig mit einem Stein durch Klopfen geschickt einen Draht zurechtzubiegen, ohne sich die Finger zu verletzen und das mit anderthalb Jahren.

Der König ist hoch angesehen unter den Bewohnern, da er die Swasikultur personifiziert und Swasiland zu etwas besonderem macht.

Die Kinder waren total aus dem Häuschen als ich meine Digitalkamera herausholte. So etwas hatten sie selbst noch nie in der Hand und so wurde alles photographiert. Der Hund, die Ziege, das Haus, der Himmel, die Nachbarskinder, ich usw.

Einige der Bilder sind hier auf diesem Blog zu finden unter “Swasifamilie”.

Auf jeden Fall war dieses Wochenende ein sehr bereichernde Erfahrung und ich habe nun eine Vorstellung davon, wie ein Leben außerhalb des Colleges aussieht. Ich war überwältigt von der Gastfreundschaft, die mir gezeigt wurde. Es wurde sich entschuldigt, wenn das Essen etwas spät kam, ich wurde oft gefragt, ob ich Tee wolle und die Großmutter zeigte mir am zweiten Tag wie man einen Handbesen herstellt. Den werde ich nun in zwei tagen mit nach Hause nehmen.

Was war sonst noch so los:

Wir organisierten letzten Sonntag einen European-Evening. Ich half beim Kochen aus und machte einen Apfelkuchen, sowie 6 Laibe deutsches Sauerteigbrot, das mir aber leider zeitlich nicht mehr gelang. Der Steinofen, den ich verwenden wollte war anfangs viel zu heiß, sodass mir das Brot außen leicht verbrannte und der Schulofen brauchte zu lange. Ich schob das Brot dann am nächsten Tag nochmals in den Ofen und verteilte es im Gemeinschaftsraum, worauf ich spaßeshalber zwei Heiratsanträge bekam.
Der europäische Nachmittag war sonst aber ein wirklich schönes Ereignis mit leckerem Essen, vielen Performances und 10 Tischen, dekoriert mit Gegenständen und Flaggen aus je einem europäischen Land. Den Lehrern und Schülern, die kamen hat es sehr gefallen.

So und nun schreibe ich die letzen Zeilen dieses Eintrags wenige Stunden vor meiner Abreise von Waterford. Ich habe einen kleinen Berg an Hausaufgaben über die von meinen Lehrern bekommen, aber das werde ich schon schaffen. Der Zeitartikel wurde diese Woche ja leider noch nicht herausgegeben, vielleicht nächste Woche ;)
Liebe Grüße aus dem bitterkalten Swasiland (in Johannesburg hat es vor einigen Tagen geschneit!!!),

Juli




Sonntag, 8. Juli 2012

Groß-ART-iges in Grahamstown


Hey ihr Lieben,
nur noch fünf Wochen bis zum Ende dieses zweiten Terms, bis ich im Flieger nach Hause sitze und nach 7 Monaten Afrika meine Familie und Freunde endlich wieder sehe. Ist das Heimweh größer, als ich erwartet hatte? Nein, ist es nicht, aber ich weiß nun definitiv wie es sich anfühlt. An manchen Tagen denke ich immer wieder an die schönen Seiten meines alten Lebens, die gemeinsamen Film- und Spielabende mit meinem Bruder Johannes, Radeln an die Seen mit meinem Vater und die Fürsorge meiner Mutter, die meine Vorfreude im Januar bewundernswert geteilt hat, auch wenn der Abschied schwer fiel. Es ist leicht, in eine nachdenkliche, etwas traurige Stimmung zu verfallen, wenn diese Gedanken überhand nehmen, doch auch leicht den Weg zurück in die Gegenwart zu finden. Der Weg führt hinaus aus meinem Zimmer, 2 Schritte nach rechts und in das Zimmer meines Freundes, Tuure, aus Finnland, oder einen Korridor weiter, wo Eyuel wohnt, ein mittlerweile guter Freund aus Äthiopien, der momentan auf der Suche nach seiner Lebenseinstellung ist und mit dem ich schon sehr interessante Gespräche geführt habe. Eyuel wurde streng religiös erzogen, und trifft hier auf eine völlig neue Welt. Bis zur Heirat sind für ihn selbst Gedanken an ein Mädchen nicht richtig, was in einem krassen Widerspruch steht, zu der Meinung der meisten Bewohner hier im Boy’s Hostel. Wir haben beide sehr ähnliche Interessen, denken über ein Medizinstudium nach und lieben Biologie. 
Ich habe meinen Platz nun gefunden in der Waterford-Community, bin mit wenigen sehr gut, mit vielen gut befreundet. Es gibt jedoch niemanden, mit dem ich überhaupt nicht klarkomme. 
Traditionen bilden sich über die Monate, sei es der gemeinsame Filmabend am Donnerstag mit Jakob und Rohaan, das Roggenbrot Backen mit anschließendem genüsslichem Verzehr mit Roderik und Rüdiger (Südafrika), interkulturelle Diskussionen mit Nelson aus Lesotho oder Lernen in der Sonne jeden Dienstag vor einer Doppelstunde Spanisch mit Agathe aus Frankreich. Ich genieße es! 
Diese Atmosphäre hier, gefüllt mit Vertrauen, Kreativität, Engagement, Respekt, Lernfreude, Freundschaft, Anerkennung und Optimismus ist wohl nur in ganz wenigen Gemeinschaften auf dieser Erde zu finden. Das ist es, was UWC so einmalig und wertvoll macht. 

So. Was ist passiert in den letzten fünf Wochen, in denen dieser Blog von mir so unrühmlich vernachlässigt wurde? 

Das größte Ereignis war sicherlich der einwöchige Trip nach Grahamstown, einer Stadt im Südosten Südafrikas, nicht weit entfernt von der Küste, in der das alljährliche nationale Kunstfestival stattfand. Mit ca. 30 Schülern starteten wir vor zwei Wochen mit einem Reisebus, der uns zwei Tage lang durch die weite trockene Landschaft Südafrikas trug, eine Zwischenübernachtung auf dem Weg in einem Backpackers inklusive. In Grahamstown durfte jeder Schüler ein kleines Einzelzimmer auf dem Campus der dortigen Uni beziehen und war danach frei, seine Tage selbst einzuteilen und mit Tanzauftritten, Konzerten und Theaterstücken, sowie Ausstellungsbesuchen zu füllen. Da ich am Ticketstand realisierte, dass einige Vorstellungen bereits ausverkauft waren, beschloss ich meine drei verfügbaren Tage in Grahamstown voll durchzuplanen und alle notwendigen Karten schon im Voraus zu kaufen. Es war ein wunderbarer Mix, bestehend aus etwa 15 Vorstellungen, den ich mir da zusammengestellt hatte. 
Einige Highlights:

Hypnagogia: 
Eine ganz besondere Tanzperformance, aufgeführt und choreographiert von drei Waterfordschülern. Es ging um die Rolle der Frau und ihre Beziehung zum Mann in Kindheit, Jugend und im erwachsenen Alter. Inspiriert von Choreographien  Pina Bausch’s, schafften es unsere Schüler tiefe Gefühle, insbesondere in weiblichen Zuschauern zu wecken; einige verließen den Raum mit Tränen in den Augen. 

Das Symphonie-Konzert des südafrikanischen KwaZulu-Natal Philharmonic Orchestras:
Hier lehnte ich mich zurück und ließ die verschiedenen Eindrücke des Tages zur Musik von Saint-Saens und Paul Dukas an meinem inneren Auge vorbeiziehen. Mir fiel auf, dass im Orchester der so vielfältigen “Rainbow nation” etwa 90 % aller Musiker weißer Hautfarbe waren. Musik als Studienfach ist für die meisten farbigen afrikanischen 
Eltern eben noch nicht anerkannt und werden mit Straßenkünstlern assoziiert, was auch hier auf dem College zu sehen ist. Während die Fächer Kunst, Musik und Theater mit wenigen Ausnahmen, von Weißen belegt werden, gehöre ich einer extremen Minderheit in Wirtschaft an. 

I love you, when you’re breathing:
Hier ging es um eine menschengroße Puppe, die von drei Männern gleichzeitig bedient wurde und uns von ihrem doch sehr schwierigen Dasein als gesteuertes Etwas erzählte. Obwohl man die Männer, die jeweils einen Arm oder den Kopf bedienten, sehen konnte, überzeugten die realen Bewegungen, das Auf- und Absenken der Brust als Atmung und die Übereinstimmung von Gestik und Sprache so sehr, dass man das Geschöpf am Ende als lebendiges Individuum betrachtete. 

Exhibit A: 
Diese Ausstellung war wohl einer der eindrücklichsten Momente im Laufe meiner Zeit hier in Afrika. Ich hatte von meinen Mitschülern erfahren, das keiner diese Erfahrung verpassen sollte und setzte mich mit keiner Vorahnung in den Besucherraum, in dem schon andere, ausschließlich weiße Menschen saßen. Jeder bekam ein Nummer, wurde der Reihe nach aufgerufen mit einem Abstand von etwa 5 Minuten und begab sich in das dunkel gehaltene Haupthaus. Beim Betreten des ersten Raumes vielen mir sofort afrikanische Kunstgegenstände und zwei menschliche Puppen schwarzer Hautfarbe, mit Bastrock bekleidet, ins Auge, die alle mit einem Nummernschild versehen waren, wie man es von Naturkundemuseen gewohnt ist. Ich bekam einen Schreck, als sich mein Blick nach oben mit den Blicken der vermeintlichen Puppen traf. Ich befand mich in einem Ausstellungsraum des 19. Jahrhunderts, als “primitive Afrikaner” in Deutschland öffentlich zur Schau gestellt wurden. Wer den Film “Neger, Neger Schornsteinfeger” gesehen hat, kann sich an die Szene im Zoo vielleicht noch erinnern. Die Szenerie berührte mich sehr. Ich lernte die Kolonialgeschichte hier nicht durch Photos und Quellen näher kennen, sondern erlebte sie, reiste zurück in die Zeit der Gräueltaten und sah die Gesichter, voll von Hoffnungslosigkeit und Vorwürfen. Das Gesicht einer halbnackten Afrikanerin in einem Spiegel, an ein Bett gekettet mit dem Rücken zu mir, das Gesicht einer Frau, die einen menschlichen Schädel in der Hand hielt. Sie hatte die Aufgabe die Köpfe der getöteten Sklaven mit Glasscherben von Fleisch zu reinigen. Nach etwa sieben Räumen, die sich alle mit der Kolonialzeit beschäftigten und die den Satz “Gott sei Dank ist heute alles anders!” im Kopf der meisten weißen Besucher entstehen ließen, blickte ich auf einen Mann, gefesselt in Flugzeugsitz, Mund und Nase zugetaped. Eine Informationstafel sagte mir, dass jedes Jahr Flüchtlinge beim Transport umkommen, die von Grenzbehörden nicht menschenwürdig behandelt werden und dann, wie hier dargestellt, zum Beispiel an Erstickung sterben. Ich musste danach sehr lange über dieses Bild nachdenken. Wenn wir einen Flüchtling sehen, betrachten wir ihn als vollwertigen Menschen? Berührt uns Europäer der Tod eines schwarzen Afrikaners in Europa in dem selben Ausmaß, wie die Ermordung eines englischen Journalisten in Somalia? Es fällt uns leichter mit der Familie des Journalisten mitzufühlen, an seine Kinder zu denken, die jetzt keinen Vater mehr haben, als an die Frau und die Kinder des Flüchtlings, die immer noch auf ein Lebenszeichen warten und auf Geld aus dem gelobten Land, aus Europa.  
Der folgende Link sollte zu Informationen und Bildern zu Exhibit A führen:
http://www.thirdworldbunfight.co.za/productions/exhibit-a,-b,-&-c.html
Ich kann ihn leider nicht aufrufen, da das Internet zu langsam ist. Mittlerweile existieren auch schon die nachfolgenden Ausstellungen Exhibit B und C, die anscheinend durch Europa touren. Solltest du, lieber Leser, die Möglichkeit eine zu sehen, kann ich das nur schwer empfehlen.


Die Photos sind von folgender Website: http://www.die-junge-buehne.de/blog/tag/exhibit-a/

Neben diesen vier persönlichen Highlights besuchte ich auch drei Jazzkonzerte, vier Theaterstücke einige Tanzperformances, und die beste Pantomime Clownshow, die ich je gesehen habe. Außerdem lernte ich eine sehr nette ältere Photokünstlerin kennen, die mich zu ihrem Haus nach Queens Town einlud. Mal schauen ob ich das Angebot irgendwann annehmen kann. 
So viel mal zu Grahamstown und einem Artfestival, das mich in Gedanken immer noch beschäftigt und dem ich im Laufe meines Lebens vielleicht noch öfter beiwohnen werde. 

Die Zeit war gekommen! Endlich. Frau Otto von meiner Lieblingszeitung “DIE ZEIT” besuchte Waterford vergangene Woche für drei Tage und lebte praktisch mit uns. Sie interviewte alle deutschen Schüler, sowie, wie es schien, hundert weitere Waterfordians. Sie besuchte meine Tangoklasse, setzte sich in unsere TOK-Stunde und war eigentlich ständig irgendwo zu sehen. Ein Photograph aus Johannesburg knipste mindestens tausend Photos und lieferte den visuellen Aspekt des, hoffentlich langen ZEIT-Artikels, der vielleicht schon nächsten Donnerstag oder den Donnerstag darauf erscheinen sollte. Wenn ihr in einer Woche am Zeitungskiosk vorbeischaut, werft einfach mal einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis auf Seite 12 und sucht nach “UWC”, wahrscheinlich unter der Rubrik “Chancen”. Ich denke, dass UWC Deutschland mit diesem Artikel einen großen Schritt in Sachen Bekanntheit machen kann und hoffe, dass die Bewerberzahlen nächsten Winter steigen werden, auch im Hinblick auf die deutsche Collegeeröffnung in Freiburg 2014. 

Wenn Du als Leser dich für einen UWC-Platz bewerben willst und Fragen in Bezug auf Waterford Kamhlaba oder den Bewerbungsprozess hast, kannst Du mir gerne deine Freundschaft auf Skype anbieten: Mein Name dort: Julian Storrch
Ich freue mich immer über interessierte Zuhörer!

Nun hast Du es auch schon fast durch diesen Monsterartikel geschafft. Es tut mir Leid, dass ich so selten schreibe und ich weiß, dass viele kurze Blogeinträge das Lesen erleichtern würden, aber so bin ich nun mal. 

Noch eine kleine Bitte: Ich schreibe momentan eine wichtige Englischarbeit, called “written Task 1” mit dem Thema “representation of ethnicities in Literature”. Mein Focus liegt auf der sehr einseitigen Darstellung Afrikas in westlichen Medien und das resultierende Bild von Afrika das wir Europäer dadurch haben. Wenn Du irgendwelche Ideen hast, vielleicht schon einmal in Afrika warst und überrascht wurdest oder aktuelle Artikel gelesen hast, die beschreiben, wie arm, rückständig oder gefährlich Afrika ist schicke mir eine Mail an julianstorch@aol.de  und helfe mir bei meiner Arbeit. 
Ich hoffe ihr genießt alle den Sommer, an alle Coyears: macht das meiste aus euren großen Ferien! Ich werde hier noch den ganzen Abend sitzen und an Essays arbeiten :(
Liebe Grüße,
Julian


Mittwoch, 30. Mai 2012

Reisikanische Erlebnisse



Ihr Lieben,

so hier bin ich wieder zurück in meinem kleinen Raum, mitten im Schulalltag und gut angekommen in meinem zweiten zu Hause Waterford. Es war eine gute Entscheidung, die ersten Ferien in Afrika zu verbringen und nicht nach Hause zu fahren, wie etwa 90 Prozent aller westlichen Schüler. Wenn ich so zurückdenke an diese vier Wochen in Kapstadt und Namibia wandern verschiedene Erinnerungen durch mein Langzeitgedächtnis: Die wunderbar belebte “Longstreet” im Zentrum Cape Town mit unzähligen Kaffees, Kneipen, Clubs, Antiquitätenläden, Kunstausstellungen und kleinen improvisierten Ständen neben dem Gehsteig, an denen grinsende Verkäuferinnen Süßigkeiten, Obst oder Blumen verkaufen. Die vielen Bettler, die auf Touristen wie mich zukommen, um mit ihnen ein persönliches Gespräch anzufangen im Verlauf dessen sie mir von ihrem verhungernden Baby erzählen, das ohne Windeln zu Hause im Dreck liegt, wohl wissend, dass Babynahrung und Windeln das wahrscheinlich teuerste Gut im Supermarkt sind. “I don’t want money! Please, please buy some food for my baby in the store over there!”. Es ist schwer abzulehnen und ich fühle mich schlecht, auch da ich weiß, wie teuer das Leben mittlerweile geworden ist, aber Spenden an Bettler bieten keine nachhaltige Lebensverbesserung. Es gibt in Kapstadt viele Organisationen, die angestrengt versuchen diesen Menschen Arbeit zu verschaffen. Diese Organisationen sollte man finanziell unterstützen um wirklich etwas zu bewirken und vielleicht hilft das auch deinem schlechten Gefühl wenn der nächste abgewiesene Bettler dich lauthals und wild gestikulierend als egoistisch und unsozial beschimpft, wie es mir in Kapstadt einige Male passiert ist. Der herrlich vielfältige botanische Garten von Kirstenbosch, in dem nur afrikanische Pflanzen wachsen und der direkt am Fuß des berühmten Tafelbergs liegt. Dort wanderten wir durch einen Geruchsgarten mit den erstaunlichsten Düften, die man den unscheinbaren Pflanzen gar nicht zugetraut hätte, sahen die größte Palmenart der Welt, deren Blätter über 15 Meter lang werden können und die erst nach ca. 30 Jahren das erste mal Blüten trägt, bewunderten die Riesenspinnen im “Märchenwald-Trail” und bestiegen über eine recht herausfordernde Route über Leitern und durch einen Bach erfolgreich den Tafelberg. Die Aussicht war wunderbar! Die süßen Pinguine in Simons Town wandern durch meinen Kopf ebenso, wie auch das Gefängnis auf Robben Island, in dem Nelson Mandela für 26 Jahre inhaftiert war, bevor er Präsident Südafrikas wurde. Ich fühlte mich leicht an den Besuch in dem Konzentrationslager in Dachau erinnert, auch wenn das Ausmaß der Gräueltaten in Deutschland natürlich noch viel weiter ging. Auch hier auf Robben Island verlor jeder Inhaftierte durch das Betreten des Gefängnisses seinen Namen und bekam eine Nummer. Asiaten bekamen mehr zu Essen als Farbige, die wiederum mehr bekamen als schwarze Häftlinge. Zeitweise gab es nicht genug Betten, sodass auf dem Boden geschlafen werden musste. Es gab Folterzimmer, in denen mit Elektroschocks und anderen Methoden versucht wurde Geständnisse zu erpressen, jeder Brief an die Häftlinge wurde gelesen und alles Politische wurde herausgeschnitten. Der ehemalige Häftling, der uns durch das Gefängnis führte, sagte, dass einige Briefe danach etwa so aussahen:

Dear Nelson,
You can`t believe what happened here the last weeks:



            and

                                   Therefore we




We love and miss you!

Your Father

Das habe ich mir jetzt zwar ausgedacht, aber es muss sehr niederschmetternd für die Gefangenen gewesen zu sein, einen fast leeren Brief zu bekommen, der einem eigentlich so viel über die politischen Entwicklungen erzählen könnte, die jahrelang Inhalt ihres Lebens gewesen waren. Auch heute Leben noch ehemalige Häftlinge auf der Insel und führen Touristen durch die Gebäude, was ich sehr bewundernswert finde.
Was habe ich sonst noch so erlebt. Eine ganze Menge. Ich habe zum ersten mal in meinem Leben Surfen ausprobiert, sowie auch das Netzwerk connectuwc.org. Dort suchte ich nach einer billigen Bleibe in Kapstadt und fand Aysha, die vor drei Jahren auf dem UWC in Indien abschloss, jetzt in Cape Town studiert und bei ihrer Mutter wohnt. Jakob und ich durften für 5 Tage in ihrem Haus verbringen und herrliches Essen, freien Transport und ein eigenes Zimmer in 3***-Hotel-Standard genießen. Drei Tage blieb ich dann noch ein Roderiks Haus, einem Freund aus Waterford. Er wohnt direkt am Meer und ist ein begnadeter Surfer. Seine Eltern arbeiten in der Entwicklungshilfe, momentan in Südsudan, ein von unzähligen Konflikten geprägtes Land. Die Mutter erzählte mir, dass sie regelmäßig einer langen schmalen Landstraße folgen musste, um zur Arbeit zu gelangen. Wochen später erfuhr sie dann, dass links und rechts direkt neben der Straße tausende alte Landminen liegen. Hätte sie etwas zu Hause vergessen und das Auto neben der Straße gewendet, hätte dies leicht tödlich enden können. Nach 19 Tagen in Kapstadt ging es mit dem Bus über 20 Stunden nach Windhoek, der Hauptstadt Namibias. Dort blieb ich für weitere zehn Tage bei meinem Freund Rohaan, der uns auch mit auf einen Trip nach Swakopmund nahm, einer Stadt, in der man vom deutschen Kolonialismus in Namibia immer noch sehr viel spürt. Ein großer Teil der Bevölkerung spricht Deutsch, es gibt überall deutsche Architektur, Bäckereien, Brauereien, Kriegsdenkmäler und deutschen Karneval. Hier bekam ich schon wieder die Vorteile der weltweiten UWC-Gemeinschaft zu spüren. Ein zukünftiger UWC-Schüler für Singapur, der in Swakopmund lebt, fuhr uns durch die Namibwüste, zeigte und erklärte uns Tiere, Pflanzen und Landschaftsformen und gab sich die größte Mühe uns einen unvergesslichen Tag zu schenken, der mit Quad-Biken in den Dünen der Namibwüste begann.
Nach diesen wunderbaren Reiseerfahrungen habe ich mich jetzt entschieden meine dritten Ferien höchst wahrscheinlich wieder hier in Afrika zu verbringen und die nördlichen Länder Southern Africas zu erkunden, die da wären: Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Sambia... ich weiß noch nicht, wie weit ich kommen werde!

Zurück in Waterford wurde ich von allen herzlich empfangen und ich fühlte mich richtig wohl und an meinem richtigen Platz. Außerdem erwartete uns am ersten Wochenende “Bushfire” eines der wenigen großen Events in Swasiland.
Wir fuhren schon am Freitag auf das Festivalgelände und stellten unser Zelt auf, um dann direkt die verschiedenen Bühnen, Essens- und Kunststände und das Programm zu besichtigen. Jedes Jahr erwartet Swasiland etwa 20 000 Besucher, hauptsächlich aus Southern Africa. Da fast alle Waterfordschüler anwesend waren, konnten wir als Gemeinschaft feiern und hatten zwei wunderbare Nächte voller Musik, Tanz und leckerem Essen. Natürlich traf ich Deutsche, die wohl in keinem Land der Welt und insbesondere auf keinem Festival fehlen. Ich ließ meine Kamera zu Hause, da Campen in Afrika gewisse Risiken für Wertgegenstände bietet. Vielleicht gibt es später Bilder von anderen Schülern hier zu sehen. Die beste Performance, meiner Meinung nach, kam von Ayo, einer deutsch-nigerianischen Sängerin, die zeitweise hundert Meter von der Bühne entfernt in mitten aller Zuschauer über Funkmikrophon ihre Stücke sang, während ich nur einen Meter entfernt ihre natürlich Stimme genießen durfte.

Dieses Wochenende wird es für mich zu einem freiwilligen Commserve außerhalb der Schule gehen. In einer Art Dauer-Flüchtlingslager, werden wir den Kindern etwas Ablenkung, Essen und Spielzeug bringen. Berichte und Fotos folgen.

Wenn jemand aus meiner Heimat nach meinem Wohlergehen fragt, könnt ihr ihm gerne diesen Blog nennen. Ich denke, man findet mich, wenn man “juliinswasiland” googelt.


Bald werden wir erfahren, wer unser neuer Schuldirektor wird. Bei einem der Interviews war ich mit dabei und ich denke wir werden auf jeden Fall eine herausragende Persönlichkeit einstellen. Für die, die es noch nicht wissen: Unser momentaner Schuldirektor Mr. Nodder wird das College Ende des Jahres verlassen um das UWC in Deutschland 2014 als Direktor zu führen.


Grüßt mal alle schön und sagt, dass es mir gut geht. Trotzdem freue ich mich auf meine Familie und Freunde in 76 Tagen.

Julian

Donnerstag, 19. April 2012

FERIEN!!!

Der erste Term ist fast vorüber, die Ferien mit neuen Erlebnissen stehen kurz bevor, doch ich weiß jetzt schon, dass ich mich nach vier Wochen auf die Rückkehr nach Waterford freuen werde.  Es ist mittlerweile zu meinem zweiten zu Hause geworden und ich spüre momentan noch keinen großen Drang nach Deutschland zurück zu kommen. Vielleicht für einige Tage um meine Familie und Freunde zu sehen und in einem unserer wunderbaren Seen schwimmen, das wäre schon nett, aber die Reise die mir nun bevorsteht und die Gewissheit, dass ich im August nach Hause zurückfliegen kann, lassen mein Heimweh weitestgehend verschwinden. Morgen um 6:00 Uhr früh  nehmen drei weitere Waterfordschüler mit mir zusammen einen 18-Stundenbus nach Kapstadt, wo wir dann 16 Tage Sehenswürdigkeiten, Strand und Nachtleben genießen werden bevor es nach Namibia geht. Mein Freund Rohaan wohnt in Windhok und lud mich und Jakob für zwei Wochen zu sich nach Hause ein. Das sind also die Pläne die momentan in meinem Kopf herumschwirren und auf die ich mich unglaublich freue. 
Vielleicht sollte ich mal darüber schreiben was genau dieses College so besonders liebenswert macht. Zum einen ist die zwischenmenschliche Atmosphäre hier außergewöhnlich bereichernd. Man wird überall freudig begrüßt, bei Diskussionen hört dir jeder aufmerksam zu, bei Sorgen melden sich um die 20 Freunde, die dir ein Gespräch anbieten, es wird zusammen gekocht, geteilt, getanzt, gesungen, Filme geschaut, Musik gehört, vorgelesen, massiert, Neuigkeiten aus aller Welt augetauscht und Brettspiele gespielt. Letzteres wird von meinen afrikanischen Freunden so emotional betrieben, als ginge es ums Überleben, was bei den Europäarn regelmäßig Schmunzeln hervorruft.
Ich bin gerade zu müde um mit meinen Erzählungen fortzufahren und in wenigen Stunden wird der Bus nach Johannesburg abfahren. Bilder und Berichte von meiner Reise werden folgen. 
Hoffe ihr hattet alle underbare Osterfeiertage/ferien,
Julian

Sonntag, 4. März 2012

Mozambique-Vibrations

Óla, amigos!
Mein letzter Blogeintrag ist schon länger als ein Weilchen her und es gibt einiges zu erzählen. Waterford wird langsam aber sicher zu meinem zweiten zu Hause, einem zu Hause das so vielfältig ist, das jeden Tag neue Erfahrungen bietet, wenn man sie sucht, einem zu Hause das auch aus einem eigenen privaten Raum besteht, den ich persönlich wirklich sehr genieße und für meine Schulvorbereitungen auch brauche. 
Zwei berichtenswerte Ereignisse sind die Swimming-Gala und natürlich das wunderbare Wochenende in Mosambik.
Am Mittwoch vor Midtermbreak versammelte sich die gesamte Schule samt Lehrerschaft um den Pool. Alle Schüler sind für Wettkämpfe (wie z.B auch Athletik-Wettkämpfe nächsten Dienstag) willkürlich in drei verschiedene Häuser eingeteilt: Stern, Henderson und Guedse. In jedem Haus sind Schüler aus allen Forms und den IB-Jahrgangsstufen. Ich bin in Stern. An diesem Mittwoch sollten also die Häuser gegeneinader schwimmen und ich in 6 Disziplinen für die unter 20-Jährigen. In den ersten beiden races, Schmetterling und Freestyle verlor ich knapp, in Rückenschwimmen deutlich. Meine Stimmung hatte einen Tiefpunkt erreicht. Dann kam meine Disziplin: Brustschwimmen. Mit einem schönen Vorsprung gewann ich dieses Rennen und der Tag war gerettet. Es herrschte eine brilliante Stimmung. Jeder feuerte sein Team an und es machte richtig Spaß zuzuschauen. Letztendlich verlor mein Haus die Swimming-Gala mit Abstand. Macht nichts, es folgen weitere Wettkämpfe. Tuure, mein finnischer Freund hat einige beeindruckende Bilder gemacht, die unter der Rubrik “Fotos Gala” einen kleinen Eindruck von dem Ereignis geben.
Nachdem ich mein Zimmer für einen Schüler aus Elangeni geräumt hatte, der über Midtermbreak in Waterford bleiben wollte (nur Emhlabeni blieb offen) ging es mit dem Bus nach Maputo. Die fahrt dauerte etwa fünf Stunden und wurde durch eine Stunde Wartezeit an der Grenze noch verlängert. Mit Großraumtaxis kamen wir in unsere Jugendherberge “Fatimas” an, ein wunderbarer Platz. Hängematten und Liegestühle auf dem Flachdach, Bar, 10-Bettzimmer, Duschen, Guards vor dem Eingang und zwei Deutsche, die nach ihrem Studium durch Südafrika reisen. Wir hatten alle einen Riesenhunger, konnten aber auch nach 2-stündiger Suche kein Lokal finden, das alle 22 Gemüter zufrieden gestellt hätte. Das ist eines der Probleme in Großgruppen. Auf uns Touristen wartende Polizisten hielten uns zwei mal an, um die Pässe zu kontrollieren, Strafgebühr für das Mitführen einer leeren Bierflasche einzufordern (Trinken in der Öffentlichkeit ist in Mosambik verboten) und uns von einer, für Fußgänger verbotenen Straße, zu verjagen. Wie gut das wir einen Portugies-Speaker aus Venezuela dabeihatten. Eine Pizzeria rettete dann unseren Abend. 
Am Samstag machte ich mich mit Laerke, Andrea, Lisa, Alma und Tuure auf den Weg, um die Stadt zu erkunden. Auf dem Arts- and Crafts-market boten ca. 30 Händler aggresiv anpreisend eine nahezu gleiche Ware an und hatten bei uns teilweise auch Erfolg. Nächstes Ziel war der berühmte Fischmarkt von Maputo. Den besten Eindruck hiervon geben, denke ich, die Photos auf meinem Blog. 
Nachdem sich Tuure einer anderen Gruppe angeschlossen hatte, entschieden wir uns einen Eindruck vom Maputo-Strand zu gewinnen. Erster Eindruck: viel Müll, dunkelbraunes Wasser, wir sind die einzigen Nicht-Einheimischen weit und breit, unzählige planschende Kinder zwischen den Wellen. Letzteres weckte die Badelust in Alma, Andrea und mir und unter staunenden Blicken der einheimischen Bevölkerung genossen wir das 30°C-warme Wasser. Die Kinder blieben erst einmal in sicherer Entfernung angesichts dieses weißen Riesens, der ihren täglichen Badeplatz heimsuchte. Nachdem ein wagemutiger Junge mir seine Schwimmkünste zu präsentieren versuchte, wir ein kurzes Gespräch begannen und ich ihn kreiselartig durchs Wasser zog, war das Eis gebrochen und zwanzig Kinder wollten gleichzeitig von meinem Rücken springen und in die Luft geworfen oder durchs Wasser gezogen werden. Die Mädchen sahen es als ihre Aufgabe an das ganze zu dokumentieren und so entstanden haufenweise Photos und einige Videos. 
Man kann eine ganze Woche in Maputo verbringen ohne die eigentliche Bevölkerung zu erleben, wenn man fast alle Plätze meidet und jeden Weg mit dem Taxi fährt. Das war definitv nicht unser Ziel. Also nahmen wir einen public bus zusammengequetscht mit 20 Menschen zurück Richtung Hostel. 
Ich verbrachte dann die gesamte Nacht bis 5 Uhr mit etwa 10 anderen Waterfordians in Coconuts, eine von Maputos Discos. Zwei Männer versuchten mir nacheinander meinen Geldbeutel zu stehlen, wozu sie aber einen Knopf öffnen mussten, was mir natürlich auffiel. Ansonsten war der Abend ein super Erlebnis ohne weitere Zwischenfälle. 
Sonntag war der Tag mit den meisten Eindrücken. How come...? 
Laerkes Familie beherbergt reisende Jugendliche in Dänemark. Unter diesen Jugendlichen befand sich vor einigen Jahren auch Laura aus Maputo. Sie erklärte sich bereit uns mit Auto den ganzen Tag durch die Stadt zu führen und uns ihre Heimat zu zeigen. Wir sahen ein gespenstisch leeres Einkaufszentrum, das internationale Markenware für die Reichen Maputos verkauft. Hier kommst du nur weiß oder mit der richtigen Bekleidung rein. Laura zeigte uns zusammen mit ihrem Freund eine aktuelle Ausstellung über Albinos mit vielen Photos, die das Leben der, oft durch Vorurteile ausgegrenzten oder sogar gejagten Minderheit zeigten. Viele Eindrücke, Texte und Bilder, die ich dort sah werden noch lange in meiner Erinnerung bleiben. Nach der Besichtigung des 100 Jahre alten Bahnhofs und des Gemüsemarktes, auf dem wir eine Menge Salat, Avocados und mehr für unser Abendessen einkauften, fuhr uns Laura zu ihrem Haus außerhalb der Stadt in einem Township. Ihre Schwester empfing uns freudig und servierte uns gekühlte Getränke. Die beiden Schwestern leben zusammen in diesem Haus mit ca. 5 Zimmern, Blechdach und Bananen- und Mangobäumen im Vorgarten. Die Nachbarsfamilie produziert Blechtöpfe mit einem Gerät, das einen Metallteller dreht. Wenn man nun mit einer Art Stemmeisen den Metallteller gegen eine Form drückt formt sich, wie beim Töpfern eine Schale, die langsam zum Topf wird. Als die Hausmutter sah, wie fasziniert wir ihrem Mann zusahen, schenkte sie uns einen kleinen Topf als Erinnerung. Es ist beeindruckend als Tourist, Geschenke von fremden Menschen zu bekommen, die gerade so genug Geld zum Leben haben. Zum Abschied sangen die Nachbarsfrauen und tanzten mit uns auf afrikanische Weise. Ganz erfüllt von diesem unverhofften Erlebnis setzten wir uns wieder ins Auto, um Lauras Bruder zu besuchen. Er ist Architekt und hat sich sein eigenes Haus mit Elektrosicherheitszaun und vergitterten Fenstern gebaut, das er uns stolz präsentierte. Während die Verständigungsprobleme in dem Township mit Gesten und Tanzen wunderbar überbrückt wurden, schauten wir hier stattdessen Fußball mit unseren Gastgebern. Die Situation war etwas kalt und gezwungen, obwohl sich die Familie sehr interessiert zeigte. Es war sehr aufschlussreich diese beiden Welten direkt nacheinander zu erleben. 
Durch die Bemühungen von Laura und ihrem Freund hatten wir einen wunderbaren Tag, für den uns einige der anderen Waterfordians, die beim Hostel blieben beneideten. 
Ein weiterer “UWC-Moment” war das gemeinsame Zubereiten des Abendessens. Wir machten eine wunderbare Guacamole und Sala, während wir über das Erlebte sprachen.
Schon nach drei Tagen ist Maputo nun eine meiner Lieblingsstädte, wahrscheinlich aber vor allem, weil es die erste Stadt ist, die sie sich einfach vollkommen von jeder bekannten, europäischen Stadt unterschied. Ich komme wieder!
Der Alltag hier auf dem College hat nun wieder begonnen, meine Freundschaft zu Laerke, Andrea, Lisa, Alma und Tuure ist durch unseren gemeinsamen Trip aber enorm gewachsen.
Kommentare und Fragen sind natürlich wie immer gerne willkommen!!!
Enjoy Life,
Julian