Mittwoch, 25. Januar 2012

Kamhlaba - All of one world

Noch herrscht Ruhe hier im Community-Room meines Hostels. Jeden Tag außer Freitag, Samstag und Sonntag haben wir von 18-20 Uhr Preptime, zwei Stunden des stillen Arbeitens oder die Möglichkeit Schlaf nachzuholen. Gut eine Woche ist der Flug her, die Ankunft in Johannesburg und die ersten Gespräche mit meinen Mitbewohnern. Am Ende unserer zwei Jahre, so unser Schuldirektor Mr. Nodder in seiner Rede sind wir nicht mehr aus Belgien, Burundi und Bangladesh mit all unseren verschiedenen Weltansichten und Vorurteilen, sondern „Kamhlaba“ - All of one world. 
Ich fühle mich insgesamt ziemlich wohl hier, obwohl ich mich natürlich noch nicht ganz eingelebt habe und sich noch keine engen Freundschaften bilden konnten. Ich vermisse meine Familie und mein zu Hause schon ein bisschen und denke in manchen Momenten daran, was sie jetzt wohl gerade so machen.
Man trifft hier auf extrem unterschiedliche Charaktere. Die einen gehen auf jeden zu, der ihnen noch unbekannt ist und fragen ihn aus über das Land, die Fächerwahl usw. Einige kennen sich schon aus Form 1-5 (jüngere Klassen auf dem College) und sind durch die ständigen Einführungen gelangweilt, weil sie ja eh schon alles kennen. Ich gehöre zu der Gruppe, deren Englisch noch eine kleine Hürde darstellt, die sich nur manchmal in Gespräche einklinkt und lieber zuhört. Für die Mehrheit hier auf dem College (alle Swasis, Südafrikaner, Schüler aus Namibia, USA, England) war Englisch schon von Anfang an eine Alltagssprache, die ihnen jetzt überhaupt keine Probleme mehr bereitet. Aber ich merke schon wie mein Englisch besser wird und in einem Monat wird kein großer Unterschied mehr zu spüren sein. 
Die letzte Woche war ein sehr intensives Erlebnis mit kaum Verschnaufpausen.
Als ich am Montag am Flughafen Johannesburg ankam und mein Pass nach längerer Wartezeit endlich abgestempelt wurde, suchte ich in der großen Eingangshalle meine Mitschüler, die sich in kleinen Gruppen zusammengefunden hatten. Nach etwa einer Stunde ging es dann über schlechte Straßen mit zwei Bussen los zum College. Da ich mich ganz nach hinten gesetzt hatte, wo ich die größte Beinfreiheit hatte sprach ich die nächsten sechs Stunden mit zwei Afrikanern aus Simbabwe. Einer war ein National Commetee-Schüler. Der andere hatte beide Eltern verloren und wurde von Capernaum Trust geschickt, einer Organisation, die jedes Jahr Bildungsstipendien für Voll- und Halbwaisen vergibt. Der Druck, der auf die meisten afrikanischen Schüler von ihrer Heimat ausgeübt wird, ist enorm. In vielen afrikanischen Ländern schickt das UWC Komitee nur 4-8 Schüler auf alle UWCs weltweit, obwohl sich jedes Jahr hunderte bewerben. Hat man das Glück einen Platz zu bekommen, erwartet das ganze Dorf einen brillianten Schulabschluss und eine Karriere, die in irgend einer Weise später dem Land dient. Wie schön ist es doch, Eltern zu haben, die keine Bestnoten erwarten und mich zu nichts drängen. 
Sobald wir die Swasigrenze passiert hatten, fing es an zu regnen. Es regnete die ersten zwei Tage durchgehend und man hatte nicht wirklich das Gefühl, einen afrikanischen Sommer zu genießen. 
Da es schon ziemlich spät war bezogen wir unsere Zimmer. Meins war anfangs kleiner als gedacht, aber sobald ich mein Bett frisch bezogen und meine leeren Koffer auf dem Schrank deponiert hatte, war ich einfach glücklich einen so gemütlichen eigenen Raum für mich zu haben.  Der Korridor, in dem ich lebe ist wohl der beste, den ich bekommen konnte. Es leben rund 10 verschiedene Nationalitäten in den 11 Räumen, nur Sebastian und ich kommen aus dem selben Land. (Wales, Mosambik, Namibia, Bangladesh, South Afrika, Finnland, Swasiland...). Gerade eben hatten wir unser erstes Korridor-Meeting. Alle Secondyear-Nachbarn haben uns ihre Hilfe in Sachen Schule, Heimweh usw. angeboten und uns erklärt, welche Wettbewerbe zwischen den Korridoren uns erwarten. 
Nun zu meinem zweiten Tag hier at Waterford. Am Dienstag war der erste Town-Run, der normalerweise immer mittwochs stattfindet. In den Straßen der Hauptstadt versuchen einige Leute dir Sachen zu verkaufen oder dir einen Platz in ihrem Taxi anzubieten. Wir hatten leider nur etwa zwei Stunden Zeit, nicht genug um den Markt zu besuchen und durch alle Malls zu streifen. In dem westlichen Supermarkt hier bekommt man alles, was das Herz begehrt, das aber zu einem Preis der teilweise sogar über dem deutschen liegt, wenn man Markenware wie Coca Cola oder Pringles haben will. Viele lokale Erzeugnisse sind aber viel günstiger als in Europa und in den meisten Kleiderläden findet man nur sehr wenige Einheimische, die sich regelmäßiges Shoppen leisten können. 
Der Basketballtrainer sprach mich natürlich wegen meiner Größe an, als ich zum Klettern in die Halle kam (Klettern war nicht möglich - die längsten Kletterschuhe, die vorhanden waren, hatten Schuhgröße 44.) Ich trainierte also Basketball mit dem Waterfordteam und der Trainer verschonte keinen, da in einigen Wochen ein Turnier in Südafrika stattfindet. Er will, dass ich weitermache, wegen meiner Größe, aber ich denke, dass ich lieber verschiedene Sportarten ausprobiere, anstatt jeden Tag zwei Stunden hart Basketball zu trainieren. 
Freitag: Alle IB1s besuchten verschiedene Plätze in Swasiland, wie z.B das National Museum of Swaziland, in dem wir einiges über die Entwicklung des Swasifolkes und die Kolonialisierung durch die Engländer erfahren konnten. Danach ging es zu einem Ort, in dem viele Swasikünstler ihre Werke zum Verkauf anboten. Weltweit bekannt sind die, von dort kommenden, Swasicandles. Es folgte eine kurze Besichtigung des House on Fire, ein schön gestalteter Platz, der für Konzerte genutzt und von Schülern für Übernachtungen gebucht werden kann. Das leckerste Essen des ersten Jahres erwartete uns in einem Nationalpark. Einige Lehrer und Secondyears hatten ein Braai (afrikanischen Grill) für uns vorbereitet und es war superlecker. In dem Park konnten wir einige Zebras und Antilopen, sowie Affen besichtigen. Es war auf jeden Fall eine Tour, die uns einen kleinen Teil von Swasiland näher gebracht hat. Für Freitag Abend hatten unsere Secondyears eine Coffiebar organisiert, die überhaupt nichts mit Coffie zu tun hat. Es ist einfach ein Abend an dem alle IB-Schüler zu Discomusik tanzen bis sie völlig durchgeschwitzt sind und kaputt ins Bett fallen. Eine tolle Erfahrung.
So, und dann hatten wir am Samstag noch unsere IB-Challenge, die aus 10 verschiedenen Stationen bestand, die wir durchlaufen mussten, wie z.B ein Musikstück mit Trommeln und Gesang einproben, einen Berg in einer bestimmten Zeit besteigen, eine Legolandschaft nachbauen. Blind. Die anderen Gruppenmitglieder durften mich nur mit Worten leiten. Am Samstag Abend hatten wir ein IB-Quiz, das meine Gruppe souverän gewann. Den Sonntag Vormittag wurde von mir zum Vernichten meiner Müdigkeit, verursacht durch Schlafmangel, genutzt, und ich nahm mir vor, die traditionelle Kirche hier ein andermal zu besuchen. 
Die Kultur Swasilands wurde uns abends von den lokalen Schülern durch Tänze, Gesang und eine kurze Präsentation gezeigt und wir durften in Continentalgroups  einen Teil dieser Welt kreativ präsentieren. Ich hatte Eastern Europe und wir tanzten einen Sirtaki, den wir mit einer griechischen Schülerin vorbereitet hatten.
Montag: Heute war die ganze Schule, aufgeteilt in kleine Gruppen, samt Lehrern mit Communityservices in Swasiland beschäftig. Diese sozialen Arbeiten spielen auf jedem UWC eine große Rolle und müssen von jedem Schüler belegt werden.

Meine Gruppe wurden mitten in ein Naturschutzgebiet gefahren, das einem Urwald glich. Mitten in diesem Gebiet stehen einige Gebäude, die von Schulklassen, die biologische Forschung in dem Gebiet betreiben wollen, gebucht werden können. Unsere Aufgabe bestand darin, mit Macheten, wie Indianer Jones, einen Pfad von wuchernden Sträuchern und Bäumen zu befreien, wobei wir darauf achten mussten einige Bäume, die nur selten zu finden sind, stehen zu lassen und einige giftige Pflanzen nicht ohne Handschuhe zu berühren. Keine der angekündigten Giftschlangen kreuzte unseren Weg, sodass wir eine anstrengende aber gute Zeit dort hatten. Bilder werden bald auf meinem Blog zu finden sein. 
Wie ihr sehen könnt, war das Programm der ersten Woche wirklich überwältigend und lies kaum Raum für Heimweh oder ähnliche Sorgen.
Über die Schule, die schon am Dienstag begonnen hat, werde ich in den nächsten Wochen berichten. 
Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, oder lieber eine kürzere Zusammenfassung der Ereignisse wünscht ---> Kommentare

Euer Juli

Donnerstag, 19. Januar 2012

Gigantic Bird

Eigentlich bin ich nicht dafür, den allerersten Blogeintrag mit Schleichwerbung zu beginnen, aber Emirates ist super, das muss einfach gesagt sein. Gut gesättigt, nach einem Hühnchencurry mit Reis und Bohnen (um mich schon mal auf die alltägliche Kost am College einzustellen) und einem „chocolate brownie with a cherry filling and a rich chocolate sauce“ (so außergewöhnlich wie es klang war‘s dann doch nicht) werden mir nun alle zehn Minuten Getränke angeboten. Jeder hat seinen eigenen Bildschirm mit Unmengen an Filmen und Serien und auf der Toilette kannst du deine gewaschenen Hände mit Rosmarienduft besprühen. 
Ich sitze im größten Passagierflugzeug der Welt, dem Airbus A380, und bin auf dem Weg zu meinem bisher größten Abenteuer. Sobald man durch das Fenster schaut, sieht man unzählige Lichter der bewohnten Gebiete. Vorne rechts taucht ein riesiges Lichtermeer auf . Bagdad. Auf seinem Bildschirm kann jeder Passagier die Flugroute verfolgen. 
Die übrige halbe Stunde Flug bis Dubai werde ich euch erzählen wie alles begann... (you can skip this section if you are a close friend or family member) 
Schon vor drei Jahren hatte ich den Wunsch für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Ich bewarb mich für das Parlamentarische-Patenschafts-Programm (PPP) des Bundestages, das mir fast ein Highschooljahr in den USA ermöglicht hätte. In der Endauswahl wurde ich jedoch nur Nachrücker und der Traum war geplatzt. Auch im Folgejahr wurde meine PPP-Bewerbung in der Endauswahl abgelehnt, eine Chance, meinen Wunsch zu erfüllen aber blieb mir noch. Über einen Zeitungsartikel hatte ich von einer Organisation erfahren, die jedes Jahr Jugendträume wahr werden lässt. Den United World Colleges. Nach meiner schriftlichen Bewerbung, in der Soziales Engagement, meine Interessen und meine schulischen Leistungen geprüft wurden bekam ich eine Einladung zum UWC-Auswahlwochenende nahe Frankfurt. Schon diese drei Tage zusammen mit ca. 70 anderen UWC-Bewerbern lassen erahnen, was für eine vorurteilsfreie Atmosphäre auf den Colleges herrscht, die dir Raum gibt einfach du selbst zu sein. Raum den es auf den meisten deutschen Schulen und überhaupt in unserer Gesellschaft kaum noch gibt. Von der Konkurrenz zwischen den Bewerbern war nie etwas zu spüren und es bildeten sich einige Freundschaften. Für alle zukünftigen UWCler: Man kann sich nicht wirklich auf die Aufgaben vorbereiten, die einen erwarten. Sei du selbst! Der Satz, den ihr wohl am häufigsten von Alumnis oder derzeitigen UWClern hört, sollte während des gesamten Wochenendes in eurem Hinterkopf sein. 
So wir landen in Kürze, ich werde diesen Eintrag bald fortsetzen.
Nachdem ich auf dem Dubai Airport zwei Stunden zwischen den Regalen der Dutyfreeshops herumgestreift bin, um noch letzte Einkäufe für die Zeit am College zu machen (von duty free ist nicht viel zu spüren), habe ich nun endlich einen schönen Liegesitz ergattert auf dem ich die nächsten zwei Stunden verbringen werde. 
Wir waren beim Auswahlwochenende stehen geblieben. Einige Tage nach diesem wirklich wunderbaren Wochenende bekam ich einen dicken Brief nach Hause mit der Nachricht, das ich die nächsten zwei Jahre auf dem United World College in Mostar (Bosnien-Herzegowina) verbringen darf. Ich wäre mit jedem College zufrieden gewesen und Mostar war auch unter meinen Favoriten, also habe ich mich wahnsinnig gefreut. Jacob, ein anderer Bewerber hatte einen Platz in Swasiland, wollte aber unbedingt tauschen, da er bei Collegbeginn (heute) ein halbes Jahr vor seinem deutschen Abi gestanden hätte, also praktisch eineinhalb Jahre Schule draufgelegt hätte. Nach längerem Überlegen und etlichen Pro- und Contralisten, entschied ich mich dafür, mit ihm zu tauschen. Ob ich es ein bisschen bereue, was ich aber bezweifle, weiß ich erst in einigen Wochen. Das letzte halbe Jahr bin ich noch in meine deutsche Schule gegangen, was ich nicht gemusst hätte. Ein Praktikum oder ähnliches wäre auch möglich gewesen. 
In zehn Stunden werde ich einen Teil meiner neuen Mitschüler in Johannesburg zum ersten mal sehen. Klar, das die Anspannung steigt. Sechs Stunden dauert dann noch die Busfahrt zum College, wo ich heute Abend mein Einzelzimmer beziehen werde. Anders, als auf den anderen UWCs gibt es in Waterford nur wenige Mehrfachzimmer.
Das Programm für die neuen Schüler beginnt am Dienstag um 10:30 Uhr mit einem Townrun in die Swasihaupstadt Mbabane, die mit dem Auto ca. 20 Minuten vom College entfernt ist. An den Folgetagen warten viele Einführungen, Vorträge und Teambildende Maßnahmen auf uns, die teilweise auch von unseren Secondyears geleitet werden. Viel mehr gibt es bis jetzt nicht zu berichten. 
Ich werde versuchen spätestens nach der Orientationweek den nächsten Eintrag zu schreiben, 
Juli