Hey
meine Lieben,
wieder
einmal ist ein ganzer Monat vergangen seit meinem letzten Bericht aus
Swasiland. Wieder habe ich viel erlebt und stehe nun kurz vor meiner
ersten Rückkehr in mein zweites zu Hause das mir jedoch emotional
immer noch näher steht als dieses College an dem ich nun seit sieben
Monaten ein abwechslungsreiches aber stressiges Leben verbringe. Mal
sehen, wie das nach zwei Jahren aussieht.
Ich
muss mich erstmal entschuldigen für den angekündigten ZEIT-Artikel
der einfach nicht erscheinen wollte, ganz egal wie oft ich die
Inhaltsverzeichnisse der letzten Ausgaben auf- und ablas. Von Mr.
Nodder, unserem Direktor, erfuhr ich dann, dass Frau Otto nach ihrem
Collegebesuch in den Urlaub gefahren ist und der Artikel erst nach
ihrer Rückkehr veröffentlicht wird. Vielleicht klappt es ja diese
Woche ;)
Ein
anderer Artikel hat es jedoch an die Öffentlichkeit geschafft. Eine
Kommunikationsstudentin hatte mich vor zwei Monaten interviewed, um
in der Münchner Universitätszeitschrift einen Artikel über
Waterford und UWC im allgemeinen zu verfassen. Das Magazin:
“Communichator” kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:
Der
Waterford-Artikel ist auf Seite: 28
Viel
Spaß beim Lesen. Leider ist die Beschriftung des ersten Fotos etwas
irreführend. Meiner Meinung bin ich der erste und nicht der zweite
von rechts.
So,
aber nun zu Neuigkeiten aus dem letzten Monat:
Eine
sehr gute und lebensbereichernde Erfahrung war die Erfüllung eines
Planes, den ich schon seit einigen Monaten hegte. Der Besuch einer
durchschnittlichen Swasifamilie. Die Mutter einer Mitschülerin, die
als Entwicklungshelferin in einer Swasi-Community arbeitet,
organisierte mit den Kontakt. So stieg ich also um 4 Uhr am Freitag
nach der Schule in einen Minibus, der mich in eine kleine Stadt
brachte, Piggs Peak. Dort musste ich einen anderen Minibus besteigen,
den Vater der angestrebten Familie anrufen und das Handy an den
Busfahrer weiterreichen, dem dann die Bushaltestelle auf SisSwati
erklärt wurde, an der er stoppen und mich rauslassen sollte. Es war
mittlerweile stockdunkel und ich war sehr gespannt, was genau mich am
Ende dieser kleinen Reise erwartete. An dieser Stelle muss ich mich
für mein schlechtes Namensgedächtnis entschuldigen. Swasinamen mit
all den Klick- und Schnalzlauten wollen einfach nicht in mein Hirn
und so kann ich meine Gastgeber nicht namentlich nennen, vielleicht
klappt das nach meinem nächsten Besuch dort, der auf jeden Fall
folgt. Ich wurde also von dem Familienvater, der des Englischen
mächtig war, und seinem jüngeren Bruder empfangen und über
holprige Sandwege zu einem Homestead geführt. So nennt man hier das
Wohngebiet einer Großfamilie mit einigen kleinen Häuschen, Feldern
und jede Menge Tieren. Im Wohnzimmer des Haupthauses begrüßten mich
7 weitere neugierige Gesichter. Die Großmutter sitzt mit ihrer
Tochter und 5 Enkeln an einem kleinen Tisch, arbeitet an einem
Handbesen und begrüßt mich freundlich auf SisSwati, die Kinder
schauen mich anfangs sehr skeptisch an. Ich war der zweite Weiße,
den sie bisher in ihrem Haus gesehen hatten. Es wurde Tee serviert,
gebraut aus dem Zitronengras, das vor der Haustür in großen Büschen
wächst (ich werde ein großes Paket getrocknet mit nach Hause
bringen) und mir wurde ein Abendessen, bestehend aus Pap (Maisbrei)
und Hühnchen in einer gewürzten Soße gebracht, das die ältere
Tochter, die auch schon ein zweijähriges Kind hat, zubereitete.
Natürlich bekam ich als Gast die größte Portion, obwohl ich mich
dagegen wehrte. Aus der Stadt hatte ich einen Laib Brot mitgebracht,
den ich unter meinen Gastgebern verteilte. Plötzlich waren die
Kinder nur noch an dem Brot interessiert und ließen den altbekannten
Maisbrei liegen. So hatte ich mir das eigentlich nicht gedacht, aber
naja. Mit dem Vater und seiner Schwester konnte ich mich auf Englisch
austauschen, über mein Leben auf dem College, über ihr Leben als
kleine Landfamilie, die sich mit immer neuen Ideen finanziell über
Wasser halten muss und natürlich waren die beiden auch ganz
neugierig wie es bei mir zu Hause aussieht, wie groß meine Familie
ist, was meine Eltern machen und so weiter. Der Rest der Familie
schaute fern, schwarz-weiß, was aber nur an einer Dauerstörung des
Empfangs lag. Die Kinder schliefen nach einer Stunde ein und wurden
von ihren Eltern ins Bett getragen und ich durfte nach einem Besuch
den Plumpsklos 50m vom Haus entfernt in dem Rundhaus des Vaters auf
einer Matratze eine ruhige Nacht genießen, bis morgens um 5 Uhr.
Dann nämlich fängt bekannterweise der Hahn an zu krähen und meine
Familie hatte gleich zwei oder drei, die auch noch die zwei Hunde
aufweckten und schon war da ein Höllenlärm draußen, der aber nicht
zu lange andauerte. Der nächste Tag begann mit Wasserschleppen. Der
Familienvater hatte vor einigen Monaten angefangen ein neues kleines
Haus zu bauen und der Boden sollte mit Wasser begossen und dann mit
einem Stampfer per Hand glattgestampft werden. Die Wasserstelle war
glücklicherweise nur 100 m weit entfernt, aber 20l-Kanister sind
trotzdem ganz schön schwer. Am ersten Tag half ich beim Hausbau,
Erdnüsse schälen und spielte mit den Kindern, die nun keine Angst
mehr hatten und mir ihre selbstgebauten Drahtautos und die
verschiedenen Tiere zeigen wollten. Einige Facts die ich während
meinem Aufenthalt dort gelernt habe:
62
% aller Swasis verdienen weniger als 2$ pro Tag aber viele Familien
dort ernähren sich von ihren eigenen Erzeugnissen und verdienen fast
kein Geld, ein trauriges Leben muss das absolut nicht sein. Wir haben
das ganze Wochenende gut von den Vorräten gelebt, die die Familie
nach den Ernten anlegte.
Der
soziale Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft ist sehr stark und es
wird sich geholfen, wo Hilfe benötigt wird. Wenn eine Familie eine
Kuh schlachtet wird oft die ganze Nachbarschaft für ein Festessen
eingeladen.
Kreative
Bewohner der rural areas denken sich immer wieder neue
Einkommensquellen aus und haben ohnehin schon eine breite Palette an
kleinen Quellen wie z.B Fruchtbäume, Kunsthandwerk, Maisfelder,
Hühner, eine Pilzhütte, in der essbare Pilze wachsen,
Erdnusspflanzen, Gewürzgarten, Heilpflanzen, Kühe, Ziegen.
Das
Geld wird dann oft in die Bildung der Kinder investiert, da die
Eltern in die Zukunft investieren wollen. Gut verdienende Kinder sind
auch ihre eigene “Rentenversicherung”. In meiner Familie gingen
zwei Kinder und der jüngerer Bruder des Familienvaters in die
nahegelegene Schule.
Saubere
Kleidung ist sehr wichtig und wir gingen zusammen zum Fluss um dort
zu waschen. Das ist hier nicht nur ein Frauenjob!
Ein
weißer Besucher, im besonderen wenn dieser eine Schubkarre schiebt,
während der Gastgeber neben ihm geht, war dort anscheinend eine
absolute Rarität und wurde mit viel Gelächter und Zurufen von den
anderen Dorfbewohnern kommentiert.
Kleinkinder
von 1.5 Jahren werden hier unbeaufsichtigt auf dem Hof sich selbst
überlassen, wodurch sie aber erstaunlich schnell lernen und wohl
jedes deutsche Kind in Geschicklichkeit und Selbständigkeit in den
Schatten stellen würden. z.B Unser kleiner war fähig mit einem
Stein durch Klopfen geschickt einen Draht zurechtzubiegen, ohne sich
die Finger zu verletzen und das mit anderthalb Jahren.
Der
König ist hoch angesehen unter den Bewohnern, da er die Swasikultur
personifiziert und Swasiland zu etwas besonderem macht.
Die
Kinder waren total aus dem Häuschen als ich meine Digitalkamera
herausholte. So etwas hatten sie selbst noch nie in der Hand und so
wurde alles photographiert. Der Hund, die Ziege, das Haus, der
Himmel, die Nachbarskinder, ich usw.
Einige
der Bilder sind hier auf diesem Blog zu finden unter “Swasifamilie”.
Auf
jeden Fall war dieses Wochenende ein sehr bereichernde Erfahrung und
ich habe nun eine Vorstellung davon, wie ein Leben außerhalb des
Colleges aussieht. Ich war überwältigt von der Gastfreundschaft,
die mir gezeigt wurde. Es wurde sich entschuldigt, wenn das Essen
etwas spät kam, ich wurde oft gefragt, ob ich Tee wolle und die
Großmutter zeigte mir am zweiten Tag wie man einen Handbesen
herstellt. Den werde ich nun in zwei tagen mit nach Hause nehmen.
Was
war sonst noch so los:
Wir
organisierten letzten Sonntag einen European-Evening. Ich half beim
Kochen aus und machte einen Apfelkuchen, sowie 6 Laibe deutsches
Sauerteigbrot, das mir aber leider zeitlich nicht mehr gelang. Der
Steinofen, den ich verwenden wollte war anfangs viel zu heiß, sodass
mir das Brot außen leicht verbrannte und der Schulofen brauchte zu
lange. Ich schob das Brot dann am nächsten Tag nochmals in den Ofen
und verteilte es im Gemeinschaftsraum, worauf ich spaßeshalber zwei
Heiratsanträge bekam.
Der
europäische Nachmittag war sonst aber ein wirklich schönes Ereignis
mit leckerem Essen, vielen Performances und 10 Tischen, dekoriert mit
Gegenständen und Flaggen aus je einem europäischen Land. Den
Lehrern und Schülern, die kamen hat es sehr gefallen.
So
und nun schreibe ich die letzen Zeilen dieses Eintrags wenige Stunden
vor meiner Abreise von Waterford. Ich habe einen kleinen Berg an
Hausaufgaben über die von meinen Lehrern bekommen, aber das werde
ich schon schaffen. Der Zeitartikel wurde diese Woche ja leider noch
nicht herausgegeben, vielleicht nächste Woche ;)
Liebe
Grüße aus dem bitterkalten Swasiland (in Johannesburg hat es vor
einigen Tagen geschneit!!!),
Juli
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